Veranstaltung: | Landesparteitag der SPD Sachsen 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 8.5. Mobilität - Klimaschutz - Wohnen |
Antragsteller*in: | SPD-Unterbezirk Dresden |
Status: | Zurückgezogen (unsichtbar) |
Verfahrensvorschlag: | Debatte |
Beschlossen am: | 07/03/2021 |
Eingereicht: | 11/26/2020, 11:03 |
M10: Klimaschutz und Folgen des Braunkohleaustieges
Votum der Antragskommission
Debatte
Antrag ist möglicherweise mit Annahme M01 erledigt.
Antragstext
Grundsätze zum Klimaschutz und den Folgen des Braunkohleausstiegs
Präambel
Ohne Gerechtigkeit ist kein Frieden, ohne Frieden kein Klimaschutz, ohne
Klimaschutz kein Frieden und ohne Frieden keine Gerechtigkeit möglich.
- Die SPD betrachtet den Klimaschutz als vordringlichste globale Aufgabe der
Menschheit.
- Die SPD setzt sich für die wirksame, verursacher*innengerechte und
konsumfokussierte Bepreisung von Treibhausgas- Emissionen ein
- Die SPD strebt einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Kohleverstromung
an.
- Die SPD setzt sich für eine vollständige erneuerbare Energieversorgung im
europäischen Kontext ein.
- Die SPD tritt für eine dezentrale Energieversorgung ein.
Der menschengemachte Klimawandel zwingt die Industrienationen zum Handeln
Die Veränderungen des globalen Klimas sind evident. Der Einfluss menschlichen
Handelns insbesondere durch den steigenden Ausstoß von Treibhausgasen seit der
Industrialisierung bis heute ist unbestreitbar. Auf absehbare Zeit kann der
vorindustrielle Zustand jedoch nicht wiederhergestellt werden. Die Auswirkungen
des Klimawandels auf unsere Umwelt sind deshalb nicht mehr zu verhindern.
Derzeit beschleunigt sich der Klimawandel. Die Lebensbedingungen verändern sich
deshalb dramatisch, negative Folgewirkungen nehmen zu. So verursacht der Betrieb
des Braunkohle-Kraftwerkes Jänschwalde jährlich Schäden für Gesundheit und
Umwelt von rund 2 Mrd. Euro, Boxberg immerhin noch 1 Mrd. Euro. In einigen
Regionen der Welt steht der Fortbestand menschlicher Zivilisation auf dem Spiel.
Wenn der Mensch durch die Anreicherung der Atmosphäre mit Treibhausgasen diese
verursacht, hat er es auch in der Hand sie zu bremsen und aufzuhalten. Den
Industrienationen kommt dabei die größte Verantwortung zu. Sie haben die
Atmosphäre bereits mit Klimagasen angereichert und gehören aktuell auch zu den
Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen von CO2-Äquivalenten (CO2Äq.). So
lag Deutschland 2017 mit einem Ausstoß von rund 11 tCO2Äq./Jahr pro Kopf
deutlich über dem EU-Durchschnitt (8,4 tCO2Äq./Jahr) und mehr als doppelt über
dem globalen Durchschnitt (5 tCO2Äq./Jahr). Die negativen Auswirkungen des
Klimawandels zwingen zum Handeln.
Klimaschutz & Gerechtigkeit
Unter dem Begriff des Klimaschutzes werden alle Maßnahmen zusammengefasst, die
den menschlichen Einfluss auf das Klima und somit die negativen Auswirkungen
verringern. Der Klimaschutz ist in seiner Komplexität und Allumfassendheit die
wohl vordringlichste Aufgabe der Menschheit. So fallen mittelbar auch sämtliche
pazifistischen und gerechtigkeitsorientierten Bemühungen darunter. Es ist also
nur gerecht, dass Industrienationen beim Klimaschutz vorangehen.
Unsere Lebensweise in Mitteleuropa strahlt in andere Regionen aus, teilweise
auch in Regionen, denen unsere Lebensweise als erstrebenswert und vorbildlich
gilt. Wenn es gelingt, dass Deutschland oder Europa trotz oder gerade wegen
klimaschützender Maßnahmen weiter wirtschaftlich erfolgreich und lebenswert
bleiben, strahlt das auch in andere Regionen aus und dient als Ansporn, selbst
aktiv zu werden. Andererseits ist nachgewiesen, dass mit steigenden
Haushaltseinkommen auch die klimaschädlichen Emissionen steigen. Klimaschutz
bietet somit große Chancen auch für mehr Gerechtigkeit und eine friedliche Welt
zu sorgen.
Die wirksame Verknüpfung des Klimaschutzes mit dem Solidaritätsgedanken ist ein
zentrales Anliegen unserer Partei.
Ein effektiver Klimaschutz ist nur mit einem Gesamtkonzept insbesondere für den
Energiesektor möglich, das auch konsequent umgesetzt wird. Dieses Konzept muss
auf allen Gebieten vorsehen, dass bestehende staatliche Steuerungsinstrumente
hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Klima untersucht und im Sinne des
Klimaschutzes korrigiert, gegebenenfalls abgeschafft oder umgekehrt werden. Zu
einem sozial gerechten Klimaschutzkonzept gehören insbesondere:
- Bepreisung von Treibhausgasemissionen (Verursacherprinzip)
- schrittweise, aber konsequente Abkehr von fossilen Energieträgern
- Ausbau erneuerbarer Energien
- Energiespeicherung
- Energieverteilung
- Energieeinsparung & -effizienz
- Ausschöpfung der Klimaschutz-Potenziale in Forst- und Landwirtschaft
- Vermeidung, Kompensation bzw. Nutzung prozessbedingter Treibhausgas-
Emissionen
- Kommunikation und persönliches Verantwortungsbewusstsein
1. Bepreisung von Treibhausgasemissionen
Das wirksamste Element eines Klimaschutzkonzeptes ist die ausreichend hohe
Bepreisung bzw. die generelle Besteuerung der Emission von Treibhausgasen. Die
steuerliche Lenkungswirkung soll über sozial ausgleichende Rückzahlungen an die
Bevölkerung zu einer Umverteilung von oben nach unten sorgen.
Wir treten für eine wirksame Bepreisung von Treibhausgasemissionen ein (CO2-
Steuer). Die Einnahmen sollen direkt dazu verwendet werden, einkommensschwächere
Haushalte finanziell zu unterstützen.
2. Abkehr von fossilen Energieträgern, insbesondere Kohle
Keine umweltpolitische Maßnahme polarisiert so sehr wie der Ausstieg aus der
Kohleverstromung. Als SPD im Freistaat Sachsen liegt unser Fokus bei diesem
Thema besonders auf den ostdeutschen Kohleabbaugebieten. Notwendig ist der
Ausstieg aus mehreren Gründen.
Braunkohleabbau erzeugt in den Abbauregionen:
- gravierende Landschaftsschäden (Verlust intakter Naturräume,
Grundwasserabsenkungen, Verlust von landwirtschaftlicher und forstlicher
Nutzfläche) die nur mit viel Aufwand und auch nicht immer ausgeglichen
bzw. Rückgängig gemacht werden können,
- das Ende alter Gemeinden, gewachsener sozialer Strukturen und
kulturhistorischer Stätten und Denkmäler,
- Ausstoß von Feinstaub und CO2 durch den Abbaubetrieb selbst.
- Emissionen von CO2, SO2, Stickoxiden, Schwermetallen etc. durch die
Verbrennung und Verstromung
Die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (sog.
Kohlekommission) empfiehlt spätestens bis zum Jahr 2038 aus der Kohleverstromung
ausgestiegen zu sein. Nach dem Pariser Klimaschutzvertrag von 2015 wäre sogar
ein weltweiter Kohleausstieg bis 2030 notwendig. Zu erstreben bleibt deshalb ein
Ausstieg zu einem früheren Zeitpunkt. Der einzig legitime Grund, den
Braunkohleabbau nicht sofort zu beenden, sind die sozialen Folgen für die
Region. Durch den Verlust von Arbeitsplätzen und den Mangel an alternativen
Arbeitgeber*innen, drohen Armut und letztlich ein Ausbluten der Region. Für eine
nachhaltige wirtschaftliche und soziale Stabilisierung der Region sind die
Förderung von Unternehmensansiedelungen und wohlgesetzte Subventionen im Rahmen
einer landesplanerischen Stärkung zentraler Orte ("Schrumpfungsplan")
unabdingbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ausbau der erneuerbaren
Energien auch in den Ausstiegsregionen zu neuen Arbeitsplätzen führen kann.
Wir treten dafür ein, den Strukturwandel in den ostdeutschen Kohleregionen
sozial gerecht und konsequent so zu gestalten, dass der Abschluss des
Kohleausstiegs möglichst schon vor 2038 gelingen kann. Der ostdeutsche
Kohleausstieg darf dabei nicht durch Kohlestromimporte, z.B. aus Polen
kompensiert werden.
3. Ausbau erneuerbarer Energien
Die Abkehr von fossilen Energieträgern erfordert den Ausbau erneuerbarer
Energien, da alternative Technologien entweder unkalkulierbare Risiken und
Folgekosten bergen (z.B. Kernkraft) oder bisher und in den nächsten Jahrzehnten
noch keine Praxisreife absehbar ist (z.B. Kernfusion). Dagegen ist die
Energiegewinnung aus Windkraft, Photovoltaik, Solarthermie, Wasser und Biomasse
(insbesondere Holz in Verbindung mit Kraft-Wärme-Kopplung) praxisreif. Bei der
Bewertung der CO2-Einsparungspotenziale ist der gesamte Lebenszyklus
(Produktion, Transport, Anlagenbau &-Betrieb, Rückbau) von auf erneuerbaren
Energien beruhenden Systemen einzubeziehen.
Wir treten dafür ein, dass alle erneuerbaren Energien genutzt werden, die einen
hohen Grad an CO2-Einsparpotenzialen bieten. Auch möglicherweise negative
Auswirkungen auf die Umwelt sind zu bewerten, transparent zu machen und
angemessen beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu berücksichtigen.
4. Energiespeicherung
Wir treten dafür ein, dass hinsichtlich der Speicherung von elektrischer Energie
neben Batterien auch andere vielversprechende Technologien, v.a. die
Wasserstoffzellentechnologie gefördert werden.
5. Energieverteilung
Wir treten für die Ausschöpfung der Potenziale von dezentraler Energiegewinnung
ein. Diese Form der Energiegewinnung schafft Arbeitsplätze, fördert bis zu einem
gewissen Grad Unabhängigkeit und eignet sich auch besonders für
genossenschaftliche Formen der Energieerzeugung. Für die großindustrielle
Erzeugung von erneuerbarer Energie und die Deckung des Energiebedarfs von
Großabnehmern ist die Verteilung (über Stromnetze) mindestens im europäischen
Maßstab zu denken.
6. Energieeinsparung & -effizienz
Wir treten dafür ein, dass Energieeinsparung und Energieeffizienz in allen
Produktionsprozessen und Lebensbereichen ein Leitmotiv werden.
7. Ausschöpfung der Klimaschutz-Potenziale in Forst- und Landwirtschaft
Die Primärproduktion von Nahrungsmitteln, nachwachsenden Rohstoffen und Biomasse
für die Energiegewinnung findet überwiegend in ländlichen Regionen statt. In
Sachsen werden dafür rund 80 % der Bodenfläche genutzt. Land- und
Forstwirtschaft haben deshalb für den Ausstoß von Treibhausgasen im
Produktionsprozess aber auch für die Speicherpotenziale in verschiedenen
Landnutzungssystemen eine sehr große Bedeutung. Durch die Förderung regionaler
Wirtschaftskreisläufe im Primärsektor, dem verarbeitenden Gewerbe und auch
regionaler Energiegewinnung werden durch den Ferntransport entstehende
Emissionen verringert. Außerdem sorgt die wirtschaftliche Tätigkeit im
Primärsektor für Einkommen und sinnstiftende Tätigkeit und ist damit ein
entscheidender Schlüssel zur Stärkung des ländlichen Raums.
Wir treten dafür ein, die Klimaschutzpotenziale der Land- und Forstwirtschaft
auszuschöpfen und mit der Stärkung des ländlichen Raums zu verknüpfen.
8. Vermeidung, Kompensation bzw. Nutzung prozessbedingter Treibhausgas-
Emissionen
Nicht nur im energetischen Sektor fallen Treibhausgas-Emissionen an. Gerade im
Industrie- und Bau-Sektor fallen prozessbedingte Emissionen an. Diese müssen
einerseits durch neue Prozesse vermieden oder andererseits kompensiert,
nachgenutzt bzw. abgeschieden werden.
Entsprechende wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind zu schaffen.
9. Kommunikation
Die alle Bereiche umfassende Besteuerung der Treibhausgasemissionen kann
Transparenz und somit ein Bewusstsein in der Bevölkerung über die persönliche
Verantwortung der Einzelnen sowie der Industrie schaffen, dies schließt den
verantwortungsvollen Umgang mit sonstigen Ressourcen ein. Ohne dieses
Bewusstsein läuft auch die klügste Klimapolitik ins Leere. Die dafür nötige
Informationsgrundlage soll sich neben der Besteuerung auch aus einer effektiven
Aufklärung und Produkttransparenz bilden.
Wir treten für die stärkere Kommunikation und Aufklärung zu Klimaschutzmaßnahmen
ein. Dabei ist in den Vordergrund zu rücken, dass Klimaschutz zum Erhalt oder
gar der Steigerung der Lebensqualität beiträgt und in vielen Bereichen für mehr
Gerechtigkeit sorgt.