Veranstaltung: | Landesparteitag der SPD Sachsen 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 8.7. Inneres - Kommunales - Recht |
Antragsteller*in: | SPD-Unterbezirk Dresden |
Status: | Verschoben |
Verfahrensvorschlag: | Verschoben zu |
Eingereicht: | 05/06/2021, 10:49 |
K09: Demokratie schützen – Digitale Wahlen verhindern
Votum der Antragskommission
Debatte
Antragstext
Der SPD Landesparteitag möge beschließen und an den Parteivorstand, den
Bundesparteitag und die Bundestagsfraktion der SPD weiterleiten:
- Öffentliche Wahlen und Abstimmungen in digitaler Form sollen nur und erst
dann stattfinden, wenn die Wahlgrundsätze unserer Verfassung auch für
Online-Verfahren sichergestellt werden können. Zur Zeit sind die
technischen Möglichkeiten dafür nicht vorhanden, noch ist absehbar, wann
sie nutzbar sein werden.
- Geheime Wahlen und Abstimmungen in Parteien sollten öffentlichen Wahlen
und Abstimmungen im Parteiengesetz gleichgestellt werden.
- Offene Wahlen und Abstimmungen in Parteien sollten auch online ermöglicht
werden.
Demokratie lebt von Beteiligung. Beteiligung findet statt, wenn erkennbar wird,
dass die eigene Entscheidung durch Wahl oder Abstimmung eine verbindliche Folge
hat und nicht durch andere verfälscht werden kann.
Das gilt für öffentliche Wahlen genauso wie für die allgemeine politische
Willensbildung in Parteien. Inwiefern kann demokratische Beteiligung durch
digital unterstützte Wahl- und Abstimmungsverfahren gesteigert werden?
Öffentliche Wahlen
Für öffentliche Wahlen gelten die Wahlgrundsätze nach Artikel 28 und 38 des
Grundgesetzes.
Wahlen müssen allgemein, frei, gleich, unmittelbar und geheim sein. Durch ein
Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2009 (BVerfGE 123, 39 ff.)[1] wurde
klargestellt, dass diese Grundsätze den Einsatz von elektronischen Wahlgeräten
bis auf Weiteres nicht zulassen. Begründet wird dies insbesondere mit dem
Verweis auf die Unmittelbarkeit und die Transparenz der Wahl, da der Verlauf der
Abgabe und Zählung der eigenen Stimme nicht vollständig nachvollzogen werden
kann.
Geheimer Wahlen und Abstimmungen in Parteien sind öffentlichen Wahlen
gleichzustellen
Geheime Wahlen und Abstimmungen in Parteien müssen öffentlichen Wahlen in ihren
Ansprüchen durch eine Ergänzung des Parteiengesetzes in den §§ 15 und 17
gleichgestellt werden.
Wir fordern:
Die Ergänzung des § 15 PartG um einen Absatz 4:
„Eingesetzte Verfahren für geheime Wahlen und geheime Abstimmungen müssen für
Stimmberechtigte eine unmittelbare Stimmabgabe ermöglichen, transparent und für
jeden nachvollziehbar sein.“
Und die Neufassung des § 17:
„Die Aufstellung von Bewerberinnen und Bewerbern für Wahlen zu Volksvertretungen
muss in geheimer Abstimmung erfolgen. Eingesetzte Verfahren müssen für
Stimmberechtigte eine unmittelbare Stimmabgabe ermöglichen, transparent und für
jeden nachvollziehbar sein. Die Aufstellung regeln die Wahlgesetze und die
Satzungen der Parteien.“
Mit neuen technischen Erkenntnissen ist in Zukunft nicht grundsätzlich
auszuschließen, dass diese demokratischen Grundsätze im Sinne der Artikel 28 und
38 im Grundgesetz auch bei digitalen Wahlen erfüllt sein könnten. Zurzeit wären
elektronisch unterstützte Verfahren, die den Anforderungen des
Bundesverfassungsgerichts für öffentliche Wahlen und Abstimmungen entsprechen,
analog für geheime innerparteiliche Abstimmungen, z. B. auf einem virtuellen
Parteitag, nicht verfügbar. Betroffen sind dadurch in erster Linie geheime
Mitgliedervoten oder geheime Urwahlen.
Solange keine Möglichkeit bekannt ist, den digitalen Abstimmungsprozess für alle
beobachtbar und nachvollziehbar zu gestalten, ist eine Manipulation des
Wahlgangs, wie das BVerfG ihn für öffentliche Wahlen befürchtet, auch bei
innerparteilichen Stimmabgaben ebenso wenig auszuschließen; im Zweifel ist sie
nicht einmal feststellbar. Gleiches gilt für die Geheimhaltung. Das Vertrauen
der Bevölkerung in demokratische Prozesse wird durch die Abschaffung wichtiger
Kontrollinstanzen beim Einsatz digitaler Instrumente deutlich geschwächt.
Die potentiell stärkere Beteiligung der Basis an Online-Abstimmungen wiegt die
entstehende objektive Gefährdung eines gesicherten Abstimmungsvorgangs nicht
auf. Stattdessen werden offene Beteiligungsverfahren die Basisbeteiligung
ermöglichen.
Kann die physische Anwesenheit am Wahlort der Wahlberechtigten nicht
sichergestellt werden, sollte auf die bewährte und weniger
manipulationsanfällige Variante der Briefwahl zurückgegriffen werden. Wir
schließen uns daher dem Bundesverfassungsgericht an, dass die Briefwahl als
verfassungskonform ansieht, solange die Briefwahl die Ausnahme bleibt. Wir
fordern die jeweiligen Verantwortlichen auf, mildere Mittel als eine umfassende
Briefwahl priorisiert zu prüfen. Dazu kann eine Verlängerung des Wahlzeitraums
zählen oder die Vergabe von Wahlterminen.
Offene Wahlen und Abstimmungen in Parteien sind auch online zu ermöglichen
Die vorgeschlagenen Änderungen des Parteiengesetzes zur Sicherung des
demokratischen Anspruchs betreffen lediglich geheime digitale Abstimmungen. Es
besteht keine Notwendigkeit, offene Abstimmungen in digitaler Form infrage zu
stellen: In Bezug auf einfache Abstimmungen müssen künftig digitale Abstimmungen
ohne persönliche Anwesenheit möglich sein.
Allerdings sind an digitale Abstimmungen auch einige Erfordernisse der
Überprüfbarkeit zu stellen:
- Das Abstimmungsverhalten sollte unmittelbar nach der Abstimmung durch für
alle Stimmberechtigten einsehbare Listen überprüfbar sein.
- Darüber hinaus sollen digitale IT-Mindeststandards eingehalten werden:
- kein Einsatz unverschlüsselter Kommunikation,
- Einsatz von validierter OpenSource-Software,
- Sicherstellung der richtigen Empfänger:innen (keine Verwendung von
- unüberprüften Mail-Adressen),
- verpflichtende Mehr-Faktor-Authentifizierung auf Empfänger:innen-
Seite
Menschen ohne ausreichende digitale Endgeräte dürfen dabei nicht vergessen oder
benachteiligt werden, eine gleichberechtigte Beteiligung muss sichergestellt
werden.