Veranstaltung: | Landesparteitag der SPD Sachsen 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 8.7. Inneres - Kommunales - Recht |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | SPD-Landesparteitag |
Basierend auf: | K02: Einführung einer für alle erreichbaren Doppelten Staatsbürgerschaft |
Einführung einer für alle erreichbaren Doppelten Staatsbürgerschaft
Beschlusstext
Der Parteitag möge beschließen, die Bundesregierung aufzufordern, das Recht der
Staatsangehörigkeit dahingehend zu ändern, dass allen Ausländer:innen, die eine
Niederlassungserlaubnis haben oder mit einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU in
Deutschland wohnhaft sind, ermöglicht wird, spätestens nach einem Aufenthalt von
5 Jahren auf Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit und damit die EU-
Bürgerschaft zu erwerben, ohne dafür ihre alte Staatsangehörigkeit aufgeben zu
müssen (Doppelte Staatsbürgerschaft).
Damit soll zugleich die Notwendigkeit entfallen, dass Menschen, die durch Geburt
in Deutschland zugleich die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern erworben haben, sich
vor ihrem 23. Geburtstag entscheiden müssen, ob sie die deutsche
Staatsbürgerschaft oder die des Herkunftslandes ihrer Eltern wählen müssen.
Begründung
Das Staatsangehörigkeitsrecht muss modernisiert und doppelte
Staatsbürgerschaften müssen ausnahmslos ermöglicht werden. Dadurch gibt es eine
tatsächliche Stärkung der Rechte und Teilhabemöglichkeiten derjenigen, die sich
in Deutschland in unsere Gesellschaft einbringen wollen. Die Anerkennung der
doppelten Staatsbürger:innenschaft ist völkerrechtlich unproblematisch.
Der Zwang für in Deutschland geborene Menschen ausländischer Herkunft, die sich
im Alter von 18 bis 23 Jahren für eine der beiden Staatsangehörigkeiten
entscheiden müssen, kann von einigen als Signal verstanden werden, von ihnen
werde erwartet, 'nur deutsch' zu sein, und dass 'Deutschland' ihre gemischte
Identität trotz ihres Bekenntnisses zu den Werten des deutschen Grundgesetzes
und zum Leben in unserer Gesellschaft nicht anerkennt. Es ist kaum zu erwarten,
dass von einer solchen Wahrnehmung positive Integrationseffekte ausgehen.
Die Anerkennung der Mehrstaatigkeit schafft zudem verstärkte
Einbürgerungsanreize. Die Neigung, sich innerlich mit dem Aufnahmeland zu
identifizieren, wächst, wenn dieses Land solche gemischt-kulturellen Identitäten
als Teil der eigenen Gesellschaft ausdrücklich anerkennt.
Die doppelte Staatsbürgerschaft ist dem deutschen Rechtssystem nicht (mehr)
fremd: Menschen mit EU- oder schweizerischer Migrationsgeschichte können bereits
heute ausnahmslos die doppelte Staatsbürgerschaft erwerben. Da ist es ungerecht,
sogenannten Drittstaatlern diese Möglichkeit zu verweigern, wenn sie hier schon
längere Zeit leben und sich erkennbar mit unserer Gesellschaft und unseren
Grundwerten identifizieren.
Menschen mit Migrationsgeschichte sollten nicht aufgrund ihres familiären
Herkunftslandes gegeneinander ausgespielt werden.
Der millionenfache Ausschluss von Menschen, die teilweise seit Jahren oder
Jahrzehnten in diesem Land leben oder gar hier geboren wurden und aufgewachsen
sind, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, hier arbeiten, Steuern zahlen und
von der Gesetzgebung der angesprochenen legislativen Ebenen unmittelbar
betroffen sind, ist mit unserem Selbstverständnis einer demokratischen
Gesellschaft, in der Mitbestimmung, Teilhabe und Verantwortung auf alle
Schultern gleich verteilt werden sollten, nicht zu vereinbaren. Im Gegenteil:
der momentane Zustand ist ungerecht! Die Parole der amerikanischen
Unbhängigkeitsbewegung, no taxation without representation, fasst diesen
demokratischen Anspruch eindrucksvoll zusammen und hat auch 250 Jahre später
ihre Relevanz nicht verloren.