Veranstaltung: | Landesparteitag der SPD Sachsen 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 8.8. Demokratie - Europa - Welt |
Antragsteller*in: | SPD-Stadtverband Leipzig |
Status: | Verschoben |
Verfahrensvorschlag: | Verschoben zu |
Eingereicht: | 05/07/2021, 14:12 |
D05: Freigabe der Impfpatente: die Welt braucht mehr als nur nette Spenden
Votum der Antragskommission
Debatte
Antragstext
Der Landesparteitag möge beschließen und an Martin Dulig, als Ostbeauftragten im
SPD-Bundesvorstand, Daniela Kolbe stellvertretend für SPD- Bundestagsfraktion
und Constanze Krehl, stellvertretend für S&D Fraktion im EU-Parlament
weiterleiten:
Die SPD (Sachsen) unterstützt eine Resolution der WTO-Mitgliedsstaaten und der
US-Regierung des Präsidenten Biden bei ihrem Vorschlag, die Impfpatente zur
Bekämpfung der COVID-19-Pandemie befristet freizugeben, sowie den Vorstoß der
Europäischen Union dahingehende Gespräche zu führen. Grundlage hierfür kann die
Vergabe von Zwangslizenzen für die Produktion von Impfstoffen anhand des TRIPS-
Abkommens von 1994 sein. Die Bundesminister:innen der SPD werden aufgefordert
alles in ihrer zu Kraft Stehende zu tun, damit dieses Vorhaben nicht wegen der
deutschen Bundesregierung scheitert. Bei einem Dissens in der Bundesregierung
soll dieser offen nach außen kommuniziert werden.
Begründung
Die US-Regierung unter Präsident Biden hat den Vorstoß unternommen und
gefordert, dass die Impfstoffpatente der Hersteller zur Bekämpfung der COVID-19-
Pandemie befristet freigegeben werden. Konkret geht es darum, bei der
Welthandelsorganisation (WTO) eine befristete Ausnahmeregelung für Corona-
Impfstoffe hinsichtlich deren Patentschutz aus geistigem Eigentum zu
beschließen. Die Grundlage dafür findet sich im als "TRIPS-Abkommen" bekannten
"Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums"
von 1994. Artikel 31 desselben legt fest, dass Mitgliedsstaaten bei einem
nationalen Notstand Zwangslizenzen für die Produktion einer für sie bedeutsamen
Erfindung erteilen können. Dies würde es anderen Firmen ermöglichen, zeitweise
Impfstoffe zu produzieren, ohne dafür die entsprechend hohen Lizenzgebühren zu
zahlen. Einen solchen nationalen Notstand erleben wir derzeit! Impfstoffe sind
Mangelware. Nach der Nichtregierungsorganisation Oxfam haben die “reichen Länder
mit 13 Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte der bisher geplanten
Impfstoffproduktion aufgekauft”[1].
Impfspenden und -exporte helfen nicht weiter
Von der COVID-19-Pandemie betroffen sind derzeit gerade auch ärmere Länder in
Südamerika, Afrika oder explizit Indien. Die EU-Staaten haben bis Anfang März
diesen Jahres zwar insgesamt 24,6 Millionen Dosen Corona-Impfstoff an 31 Länder
weltweit exportiert. Schaut man sich jedoch an, in welche Länder unter welcher
Verteilung die Impfdosen gingen, erhielten reiche Länder wie das Vereinigte
Königreich, Kanada, Japan, die USA, Australien und Saudi-Arabien weit mehr als
die Hälfte des Gesamtexportvolumens[2]. Impfspenden nach Afrika beispielsweise
erfolgten spät und sind vergleichsweise mickrig: Die globale Partnerschaft COVAX
lieferte am 27.02.2021 600.000 Impfdosen nach Ghana.[3
Internationale Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen e.V. kritisieren: “Gerade
inmitten einer Pandemie können wir uns ineffiziente Verteilungen und künstlich
gedrosselte Produktionskapazitäten nicht leisten”[4]. Andere Ansätze - wie der
Appell der Weltgesundheitsorganisation vom 19.05.2020 zur Schaffung einer
weltweiten “Technologie-Plattform” für COVID-19-Produkte und deren Verfügbarkeit
als “globales öffentliches Gut” - sind bislang erfolglos versandet. Insbesondere
die durch die WHO eingesetzte Initiative “Covid-19 Vaccines Global Access
(COVAX)” ist stark unterfinanziert und kann daher ihrem Ziel, Ländern weltweit
und unabhängig von deren Kaufkraft Zugang zu Impfstoffen zu verschaffen, nicht
gerecht werden.[5]
100 WTO-Mitgliedsstaaten und die EU für Gespräche über die Aussetzung der
Patente
Mehr als 100 WTO-Mitgliedsstaaten haben bereits erklärt, für die Resolution zur
befristeten Aufhebung des Patentschutzes der Impfstoffe stimmen zu wollen.[6]
Auch die EU zeigt sich schon offen für den Vorschlag der USA. Namentlich die EU-
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte, die EU “sei willens, alle
Vorschläge zu diskutieren, die darauf abzielen, mit der Krise auf eine effektive
und pragmatische Weise umzugehen”[7].
Recht auf Gesundheit ist gewichtiger als das Recht auf Gewinne für die
Pharmaindustrie
Dagegen wendet sich die vorrangig westeuropäische und US-amerikanische
Pharmaindustrie immer wieder damit, dass erst geistige Eigentumsrechte den
Durchbruch für Covid-19-Impfstoffe und –Medikamente gebracht hätten. Dabei wird
geflissentlich verschwiegen, dass Milliarden an Steuergeldern, private Spenden
die Haupttreiber der beispiellosen Forschungsanstrengungen zu Covid-19 waren,
sowie klinische Studien vor Ort, das öffentliche Gesundheitswesen, Covid-19-
Überlebende und anderen Forschungsprojekte für Medikamente und Impfstoffe zu
diesem schnellen Erfolg beigetragen haben. Dass die erzielten Ergebnisse nun
monopolisiert und exklusiv kommerziell verwertet werden sollen, entspricht in
keiner Weise der Verantwortung der Weltgemeinschaft in dieser Pandemiesituation.
Lieferverzögerungen und preisliche Nachforderungen der Impfstoffhersteller
zeigen außerdem, dass Monopole auf Impfstoffe schon bisher zu zeitlichen
Verzögerungen und großen Problemen bei der Pandemiebekämpfung geführt haben.
Gleichzeitig soll weiterhin Sicherheit für die Forschung und der Schutz am
geistigen Eigentum nicht ad acta gelegt werden, sondern in besonderen
Situationen wie der aktuellen COVID-19-Pandemie lediglich die notwendigen, aber
begrenzten Handlungsoptionen zur Debatte gestellt und auf ihre Umsetzung hin
geprüft werden.
Schlussfolgerung
Unsere Glaubwürdigkeit als internationalistische Partei leidet, wenn wir nun
nicht deutlich dafür eintreten, dass Menschenleben und das Ziel der effektiven
Pandemiebekämpfung über individuellem wirtschaftlichem Gewinnstreben und
Marktmonopolen stehen. Nur durch schnelles und effektives Impfen weltweit und
jeglicher Bevölkerungsgruppen können wir derzeitige Virusmodifikationen/-
mutationen bekämpfen und künftige eindämmen. Es ist kurzsichtig und
verantwortungslos zu glauben, das Virus wäre kein Problem mehr, wenn es nur vom
eigenen Kontinent verschwindet. Ohne internationale Solidarität kann die
Weltgemeinschaft diese Pandemie nicht bewältigen, sondern wird kurz- und
langfristig soziale Ungleichheit, sozialen Unfrieden und existenzielle Gefahren
für alle verschärfen.
[1]https://www.dw.com/de/zwangslizenzen-f%C3%BCr-impfstoffe-pro-contra/a-
56471937.[2]https://www.handelsblatt.com/politik/international/impfstoffe-eu-
staaten-exportieren-24-6-millionen-dosen-impfstoff/26995190.html?ticket=ST-
590988-5CaMeT23APYa2OkPPtS0-ap6.
[3]https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/presse/wto-patente-aussetzen.
[4]https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/presse/wto-patente-aussetzen.
[5]https://www.dw.com/de/zwangslizenzen-f%C3%BCr-impfstoffe-pro-contra/a-
56471937.
[6]https://www.dw.com/de/usa-f%C3%BCr-aussetzung-der-patente-f%C3%BCr-corona-
impfstoffe/a-57441305.[7]http://www.zeit.de/politik/ausland/2021-05/ursula-von-
der-leyen-eu-kommission-corona-impfstoff-patente-impfstoffproduktion.
Änderungsanträge
- Globalalternative: Ä1 zu D05 (Jusos Sachsen, Eingereicht)