Veranstaltung: | Landesparteitag der SPD Sachsen 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 8.5. Mobilität - Klimaschutz - Wohnen |
Antragsteller*in: | SPD-Unterbezirk Dresden, Jusos Sachsen |
Status: | Abgelehnt |
Verfahrensvorschlag: | Debatte |
Beschlossen am: | 07/03/2021 |
Eingereicht: | 11/26/2020, 10:39 |
M03: Mobilität im Wandel
Votum der Antragskommission
Debatte
Antragstext
Der Landesparteitag der SPD Sachsen möge beschließen und an den SPD
Bundesparteitag weiterleiten:
Unsere Mobilität wächst und sie steht vor Herausforderungen – allerdings sind
diese lösbar! Folgende politische Ziele sollen gemeinsamer Bestandteil einer
nationalen Mobilitätsstrategie werden:
- Die SPD setzt sich für eine nachhaltige und umweltverträgliche Mobilität
in Stadt und Land ein. Alle treibhauswirksamen Emissionen werden bis 2050
um 95% im Vergleich zu 1990 reduziert. Entsprechend müssen alle
Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur mit den Klimaschutzzielen
vereinbar sein und klimaschädliche Subventionen abgebaut werden.
- Mobilität ist ein Grundrecht und muss für alle Bürger*innen verfügbar – in
der Stadt wie auf dem Land – und für alle Bürger*innen bezahlbar sein.
Jedoch müssen verursachergerechte Abgaben für Schadstoffaustoß erhoben
werden.
- Alle Reformen wahren faire Arbeitsbedingungen und werden nicht auf dem
Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen.
- Der Ausbau von gemeinsam genutzten Verkehrsmitteln und multimodalen
Verkehrskonzepten wird den Rückbau des motorisierten Individualverkehrs
kompensieren. Dies bedeutet einen Zugewinn an Lebensqualität für die
Menschen, indem Emissionen, Unfälle und Stress reduziert werden.
- Wir schaffen einen gesellschaftlichen, technologischen und rechtlichen
Rahmen für autonome Fahrzeuge und sichern gleichzeitig die anonyme, freie
und unabhängige Fortbewegung in der digitalisierten Welt.
Mobilität verbindet das Land mit der Stadt, Städte untereinander und verwischt
die Grenzen zwischen Nationalstaaten. Mobilität ist ein menschliches Bedürfnis,
dass schon immer wichtig war und unsere Gesellschaft verbindet – wir haben
Freundschaften und soziale Kontakte in der ganzen Welt, Arbeiten heute von hier
und morgen von dort, dazu kommt ein Kurzerholungsurlaub im Nachbarland. Zudem
gilt: Mobilität ist Grundrecht. Arbeit, Schule, Uni, aber auch Supermärkte oder
ein Kino muss physisch erreichbar sein. Für Teilhabe an der Gesellschaft ist
Mobilität ein Muss. Wir müssen also nachhaltig soziale Strategien finden, die
allen diese Teilhabe ermöglicht.
Unsere Gesellschaft wird immer mobiler. Jedoch darf Mobilität nicht zu Lasten
der Umwelt und der Lebensqualität erfolgen. Mit dem Klimaabkommen von Paris und
dem Klimaschutzplan 2050 verpflichteten wir uns zur Treibhausgasneutralität.
Doch gerade unser Verkehrssektor hinkt diesen Versprechen hinterher – die
Emissionen auf unseren Straßen haben sich seit 1990 nicht verringert, sondern
sind angestiegen. Dies liegt auch an der Bedeutung von fossilen Brennstoffen im
Energiemix des Verkehrswesens; klimaschädliche Kraftstoffe werden aber keinen
Platz in einer zukunftsfähigen Mobilitätsstrategie finden können.
Die Bedeutung des PKW wird sich damit verändern müssen: Viele Menschen
überdenken die Rolle des eigenen Autos als Statussymbol bereits. Daneben wächst
die Bereitschaft der Bevölkerung auf das eigene Auto zu verzichten und
stattdessen Angebote des öffentlichen Personenverkehrs zu nutzen, stetig. Jedoch
müssen dafür die Rahmenbedingungen stimmen: Pünktlichkeit, Geschwindigkeit,
Bequemlichkeit und angemessene Preise sind Schlüsselfaktoren der postfossilen
Mobilität.
Neben wachsendem Verkehrsaufkommen ändern sich unser Mobilitätsverhalten und
unsere Mobilitätsgewohnheiten. Künftig werden wir nicht mehr mit dem einen
Verkehrsmittel – dem Auto – von Start bis Zielort fahren, sondern multimodal mit
mehreren Verkehrsmitteln die Reisestrecke überwinden: Mit dem Leihfahrrad zur
Haltestelle, von dort weiter auf der Schiene und letztlich mit einem
Elektroroller zum Ziel.
Emissionsarme Mobilität – Jetzt!
Unsere Mobilität muss sehr viel emissionsärmer werden – sofort! Verkehrsemission
machen ein Fünftel der weltweit produzierten Treibhausgase aus. Es ist eine
Aufgabe aller Generationen, den menschengemachten Klimawandel gemeinsam zu
bekämpfen und abzuwenden. Wenn wir jetzt nicht aktiv werden, werden wir in der
Zukunft keine Möglichkeit mehr haben, die Reformen nachzuholen, die in den
letzten Jahrzehnten nicht energisch genug vorangetrieben und durchgesetzt
wurden. Die Zeit der Bequemlichkeit und der Mobilitätswende ohne Härten ist
abgelaufen. Es muss weniger Auto gefahren werden, stattdessen können
Pendler*innen im Zug schlafen, Radfahren wird sicherer und verknüpfte
Verkehrsplanung wird einfacher zugänglich.
Dabei müssen sich unsere Prioritäten ändern: Verkehr muss in erster Linie sehr
viel emissionsärmer und mit möglichst kleiner Umweltwirkung erdacht werden.
Danach wird es unsere Aufgabe sein die Vielschichtigkeit des Themas in einer
zukunftsfähigen Mobilitätsstrategie zu verankern. Emissionsfreie Mobilität? Das
bedeutet weder das Ende des motorisierten Individualverkehrs noch eine
dauerhafte Einschränkung unseres Reiseverhaltens. Nichtsdestotrotz wird es dabei
kurzfristig spürbare Veränderungen und Einschnitte in unseren gewohnten
Fortbewegungsmustern geben.
Es sieht danach aus, als ob der fossile Verbrennungsmotor bald der Vergangenheit
angehören wird – Länder wie Norwegen und Schweden haben schon heute den
zeitnahen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor beschlossen. Dank
Neuzulassungsquoten von bis zu 50% tragen die skandinavischen Länder ihren Teil
dazu bei, dass weltweit bereits täglich Millionen Elektroautos unterwegs sind.
Doch auch hier zeigt sich die Vielschichtigkeit der zukünftigen Mobilität: Damit
Elektromobilität ihren Zweck nicht verfehlt, muss bei der Förderung der
notwendigen Rohstoffe (z.B. Lithium) sowie der Bereitstellung der erforderlichen
Menge an regenerativer Energie (Sonne, Wind und Wasserkraft) und bei der
Umsetzung der Verkehrswende zwingend auf eine soziale und umweltfreundliche
Ausgestaltung geachtet werden. Energiespeicherung in Akkumulatoren hat dabei
Vorrang gegenüber der wasserstoffbetriebenen Brennstoffzelle. Klimaneutrale
Flüssigkraftstoffe, die bspw. über Power-to-Liquid-Verfahren gewonnen werden,
erscheinen insbesondere im Luft- und Schiffsverkehr, aber auch im Langstrecken-
und Schwerlastverkehr eine sinnvolle Ergänzung auf dem Weg zur
Emissionsvermeidung. Da hier jedoch noch kaum serienreife Produkte vorliegen,
muss zunächst stärker in Forschung und Entwicklung investiert werden.
Die anstehende Mobilitätsreform kann nur schwer kostenneutral vollzogen werden
und nur durch Integration auf europäischer und globaler Ebene gelingen. Als
reiche Industrienationen und europäische Wertegemeinschaft müssen wir nicht nur
im internationalen Klimawettbewerb voranschreiten und das Zeitalter der
postfossilen Mobilität ausrufen, sondern ebenfalls dafür Sorge tragen, dass
ein*e Jede*r teilhaben kann. Die Kosten des Wandels dürfen nicht auf den Ärmsten
lasten, sondern müssen sozial gerecht auf den starken Schultern unserer
Gesellschaft aufgeteilt werden. Die Bedürfnisse von Stadt und Land müssen
gleichermaßen berücksichtigt werden und auch das Mobilitätsverhalten
verschiedener Bevölkerungsgruppen muss in unserer zukünftigen
Mobilitätsstrategie Platz finden.
Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte ist unser umweltpolitisches Ziel klar:
Sehr viel geringerer Ausstoß von Emissionen. Das bedeutet keine Treibhausgase,
kein Feinstaub und geringe Lärmbelästigung. Bei Emissionen kann nur das
Verursacher*innenprinzip gelten – wer Umwelt und Gesellschaft Schaden zufügt,
der muss auch dafür zahlen:
- Entweder pauschalisiert über Abgaben gemäß des Äquivalenzprinzips auf den
jeweiligen Energieträgen
- Individualisiert auf Basis des Verursacher*innenprinzips über eine
entsprechende Reinigungsabgabe abgegolten, die fortlaufend zu einem
Stichtag erhoben werden.
Beide Prinzipien lassen sich auf alle Verkehrsträger – zu Luft, zu Wasser, auf
der Straße oder auf der Schiene übertragen. Die zweite, individualisierte
Variante erlaubt zusätzlich die selbstständige Emissionsreinigung. Die Folge ist
bei beiden Regelungen klar: Wer mehr Emissionen produziert, wird höhere Abgaben
zahlen müssen. Es wird somit lohnenswerter gemeinschaftlich und sauber unterwegs
zu sein.
Bodenversiegelung durch Verkehrsflächen
Bundesweit sind in Deutschland je nach Quelle ca. 3-5% der Gesamtfläche durch
Verkehrswege (Straßen, Schienen, Start- und Landebahnen und Wasserwege)
vollständig versiegelt. Seit der Wende sind täglich im Schnitt 20 Hektar
zusätzliches Land durch solche Verkehrswege „(v)erschlossen“ worden.
Um die Flächennutzung durch Verkehr bei wachsender Mobilität zu optimieren, muss
auf möglichst effiziente Verkehrsträger gesetzt werden. Effizient bedeutet in
diesem Fall ein hoher Personendurchsatz je Strecke auf möglichst wenig Fläche.
Besonders effizient ist hier die Schiene bzw. der öffentliche Nahverkehr –
selbst bei geringer Auslastung wird nur ca. ein Drittel der Fläche bei gleichem
Personendurchsatz in Anspruch genommen. Dies gilt sowohl für Nah- und
Fernverkehr.
Falsche Anreize und Subventionen abbauen!
Laut Umweltbundesamt entfielen in Deutschland im Jahr 2016 von den 57 Mrd. Euro
umweltschädlichen Subventionen über die Hälfte auf Verkehrssubventionen.
Dabei machen Subventionen für Auto- und Flugverkehr mit jeweils ungefähr 12 Mrd.
Euro einen Löwenanteil dieser Bevorzugung aus. Wir fordern insbesondere die
Abschaffung bzw. sozial gerechte Reform der folgenden Subventionen:
- 7,4 Mrd. Euro für Steuervergünstigungen für Dieselkraftstoff – Zurzeit
werden 21,9 ct je Liter Diesel (inkl. Kraftstoff & Mehrwertsteuer) Rabatt
gegenüber Benzin gewährt und auch andere, weniger umwelt-
gesundheitsschädliche Technologie, im Wettbewerb benachteiligt
- 5,1 Mrd. Euro für Entfernungs- bzw. Pendler*innenpauschale – Statt Anreize
zu setzen, in der Nähe der Arbeitsstätte zu wohnen oder umweltschonend zu
pendeln, profitieren vor allem Gutverdiener*innen und PKW-Nutzer*innen von
der steuerlichen Bevorzugung
- 7,1 Mrd. Euro für die vollständige Energiesteuerbefreiung von Kerosin
(davon 0,5 Mrd. Euro für Flüge im nationalen & 6,6 Mrd. Euro im
internationalen Raum) – trotz international ungleicher Besteuerung und
Regulierung, muss zumindest eine europäische Antwort gegen unfairen
Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern gegeben werden
- 5,8 Mrd. Euro für die vollständige Mehrwertsteuerbefreiung internationaler
Flüge – die Lage gestaltet sich hier ähnlich wie bei der fehlenden
Kerosinsteuer: es braucht dringend eine globale, zumindest aber eine
europäische Lösung mit gerechter Besteuerung.
Hinzu kommt die direkte und indirekte Förderung des Baus und Betriebs von
kleinen, meist unprofitablen internationalen Flughäfen und Regionalflughäfen.
Stattdessen sollten die Länder und Kommunen dabei unterstützt werden, eine
starke schienengebundene Anbindung an die großen Flugdrehkreuze zu erhalten.
Die Notwendigkeit von Flügen mit Distanzen unter 500 km muss überdacht werden.
Neben der Option eines strikten Verbots und den damit verbundenen
Ausweichreaktionen (Flugreise über das Ausland & Umwege), muss sich der
Klimaschaden von Flugreisen konsequent in Ticketpreisen widerspiegeln – denn die
Kosten von Flugreisen spiegeln nicht den ökologischen und gesellschaftlichen
Schaden wider, den sie verursachen.
Wir müssen uns dafür einsetzen, dass alle umweltschädlichen Subventionen
abgeschafft oder reformiert werden: Klimaschädlichen Kraftstoffen und
Fortbewegungsmitteln darf kein staatlich geförderter Vorteil zu Ungunsten der
Ökologie gewährt werden!
Europaweites Schienennetz und die Rolle der Deutschen Bahn
Um von Prag nach Barcelona zu reisen, wird heute je nach verwendetem
Verkehrsmittel eine unterschiedliche Reisedauer benötigt. Mit dem Zug werden 21-
25 Stunden benötigt, mit dem Auto 16-17 Stunden und mit dem Flugzeug inkl.
Sicherheitskontrolle & Gepäckabholung sowie An- & Abreise zum Flughafen 5-7
Stunden. Genau konträr verhält es sich mit den Emissionen: Das Flugzeug ist mit
Abstand am umweltschädlichsten, während mit dem Zug zumindest theoretisch
Emissionsfreiheit möglich ist.
Es wird deutlich, dass bei der europäischen Mobilität der Ausbau auf der Schiene
bislang verschlafen wurde. Ist der Zugverkehr im innerdeutschen Raum im Punkt
Gesamtreisezeit in der Regel gegenüber dem Flugzeug konkurrenzfähig – durch
bessere Lage, höhere Taktung und ein dichtes Netz – wäre auch im
innereuropäischen Verkehr eine Reisezeit für die Strecke Barcelona-Prag von 8-
10h realistisch.
Diese Perspektive wird jedoch durch zahlreiche Aspekte untergraben:
- Förderprogramme der EU, die den effizienten Streckenausbau durch
Tempolimits von 160 km/h hemmen,
- konkurrierende Eisenbahnunternehmen, deren Fahrpläne nicht aufeinander
getaktet sind und
- lange Genehmigungsverfahren, fehlende Entscheidungen, und lange
Ausführungsdauer und
- ein allgemeiner Investitionsstau bei der Schieneninfrastruktur.
Hinzu kommt eine Schieneninfrastruktur, die insb. an den innereuropäischen
Grenzübergängen, aber auch innerhalb Deutschlands unzureichend in Stand gehalten
ist. Deswegen müssen Förderprogramme der EU und bilaterale Kooperationsverträge
den Auf- & Ausbau des innereuropäischen Höchstgeschwindigkeitsnetzes mit höheren
Maximal- & Durchschnittsgeschwindigkeiten stärker in den Fokus nehmen. Daneben
ist die Nutzbarkeit der Grenzübergänge unter aktuellen betrieblichen
Gesichtspunkten herzustellen bzw. flexibler zu gestalten. Dabei müssen
Baumaßnahmen im Sinne von national und international vertakteten Verkehren, wie
beispielsweise dem „Deutschlandtakt“, erfolgen.
Im Zuge dessen sind erhebliche Investitionen ins europaweite Schienennetz zu
tätigen, obwohl sich diese erst nach Jahrzehnten auszahlen werden. Im deutschen
Netz sind noch heute hauptsächlich Brücken aktiv, die vor über 100 Jahren gebaut
wurden. Investitionen ins Schienennetz sind langfristige Investitionen für den
Klimaschutz und damit für die Zukunft.
Gleiches gilt für den Nachtverkehr auf der Schiene. Als wichtige zusätzliche
Komponente der Personenbeförderung und der effizienten Streckenausnutzung, muss
dieser insbesondere auf Langstrecken als Alternative zum Flugverkehr auf
europäischer Ebene ausgebaut bzw. entwickelt werden.
Ein Schienennetz ist ein natürliches Monopol. Auf einem mitgliedsstaatlich bzw.
europäisch-gemeinschaftlich zur Verfügung gestellten Schienennetz können
unterschiedliche Anbieter in Personen- und Güterverkehr verschiedene Strecken
anbieten und entsprechend der Nutzungsintensität Gebühren zum Strukturerhalt
zahlen. Gleichzeitig muss die Kooperation europäischen Eisenbahngesellschaften
tiefer gehen und über die Bündelung einiger Kompetenzen unter einem Dach
nachgedacht werden. Außerdem könnten so Hürden beim grenzüberschreitenden
Verkehr abgebaut und das Konzept der EuroCity-Linien ausgebaut werden.
Für Deutschland muss es mittelfristiges Ziel sein, dass das Schienennetz (ca.
ein Zehntel) ausreichend Kapazität aufgebaut hat, um die Straße (ca. die Hälfte)
als führenden Verkehrsträger im Güterverkehr abzulösen. Besonders absurd
erscheint vor dem Hintergrund, dass das deutsche Staatsunternehmen „Die Deutsche
Bahn“ 2/3 ihres Gütertransports über die Straße abwickelt.
Im Personenfernverkehr muss das mittelfristige Ziel sein, dass Großstädte zu
ihren Nachbarstädten min. im Stundentakt angebunden werden. Der gleiche Takt
gilt für die Anbindung der Mittelzentren an ihre jeweiligen Oberzentren und
Unterzentren an ihre jeweiligen Mittelzentren. Eine enge Taktung und kurze
Reisezeiten bringen Regionen dichter zusammen. Wichtig für die Fahrpläne der
Eisenbahnunternehmen ist an dieser Stelle auch die Taktung von Fernverkehr auf
Regional- & Nahverkehr sowie schienenungebundenen ÖPNV.
Die Schiene als umweltfreundlichster Verkehrsträger ist gegenüber dem
motorisierten Individualverkehr besonders subventionswürdig. Die Länder der
europäischen Union sollten dementsprechend dem Beispiel von Dänemark, Irland &
Großbritannien folgen und die Mehrwertsteuer für schienengebundenen Verkehr
abschaffen.
Fernbusse als Alternative zur Schiene?
Der schwarz-gelben Bundesregierung haben wir eine Liberalisierung des
Fernbusmarktes seit 2013 zu verdanken. Mit Versprechen eines grünen und
günstigen Fernverkehrs wurde somit ein groß angelegter Angriff auf die Deutsche
Bahn gestartet. Allerdings wurde schnell klar, dass das Geschäftsmodell vor
allem aus Lohndumping bestand und die angenommene Auslastung bei weitem nicht
erreicht wurde. Der Preiskampf der Fernbusunternehmen untereinander und gegen
die Deutsche Bahn wird zusätzlich durch eine gebühren- und mautfreie Nutzung von
Straßen gefördert – die Nutzung der Schiene ist durch sogenannte Trassenpreise
jedoch nicht kostenlos. Aus der anfänglichen Konkurrenz- und Goldgräber*innen-
Stimmung auf dem Fernbusmarkt haben sich inzwischen mono- bzw. oligopole
Strukturen entwickelt, die vor allem auf den rentablen Strecken zwischen
Großstädten die positiven Skalen- und Netzwerkeffekte der Deutschen Bahn
mindern. Hinzu kommt, dass die Umweltbilanz der Fernbusse zu keinem Zeitpunkt
mit dem Schienenverkehr mithalten konnte. Allerdings ergaben sich durch
Fernbusse vor allem für Menschen mit geringen Einkommen neue und günstige
Reisemöglichkeiten, die durch die Bahn aufgrund ihrer Preis- und Angebotspolitik
nicht mehr bereitgestellt wurden.
Daher muss auch diese umweltschädliche Bevorzugung der Fernbusse durch eine
vergleichbare Straßennutzungsgebühr und einen Mindestlohn für Busfahrer abgebaut
werden.
Einerseits Verkehrskollaps in der Großstadt…
Unsere Mobilität steht nicht nur bei der Produktion von Treibhausgasen vor
Herausforderungen. Europaweit wächst die Stadtbevölkerung während die
Landbevölkerung schrumpft. Die Folge sind immer größere Städte mit immer
größeren Verkehrsaufkommen. Auf der einen Seite ist die innerstädtische
Fortbewegung ein Stück der lokalen Lebensqualität. Auf der anderen Seite sind
Abgase, Lärm und Gefahren durch den Verkehr eine Einschränkung ebendieser. In
Städten wird gerade der private PKW zum zunehmenden Problem und führt bereits
heute in einigen Großstädten zum Verkehrskollaps – Stau, Unfälle und niedrige
Reisegeschwindigkeit sind die Folge.
Die Zukunft der innerstädtischen Mobilität kann nicht die dritte & vierte
Autospur auf den Hauptverkehrsmagistralen sein. Stattdessen werden multimodale
Konzepte, die verschiedene Verkehrsträger miteinander verbinden, in den
Vordergrund treten. In diesen Konzepten werden Fußgänger*innen, Fahrräder,
Kleinstelektrofahrzeuge und die Elemente des öffentliche Personennahverkehr
deutlich in den Vordergrund treten, sodass die Überwindung einer Strecke nicht
mehr nur mit einem Verkehrsmittel bewältigt wird. Hinzu kommt eine neue
Konzeption der Besitzverhältnisse. Die Rolle des eigenen Autos als Statussymbol
scheint sich zu wandeln und die gemeinschaftliche Nutzung von PKW in Form von
Sharing-Konzepten entwickelt sich zumindest in den Zentren unserer Großstädte
zur attraktiven Alternative.
Eine Umstellung des städtischen Verkehrswesens besteht jedoch nicht nur aus dem
Ausbau und der Ermöglichung multimodaler Konzepte, sondern auch in der
Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs – ein wichtiger Schritt hin
zur Steigerung der Attraktivität des Stadtlebens und Erhöhung der städtischen
Verkehrssicherheit.
Multimodale Sharing-Konzepte benötigen Platz in der Stadt. Sharing-Konzepte
benötigen öffentlich zugängliche Stellflächen, an denen intermodale
Mobilitätspunkte für den Umstieg zwischen den unterschiedlichen Verkehrsmitteln
entstehen können – begleitet von einer moderaten Politik gegenüber „wild“
geparkten Leihfahrrädern oder Leihrollern. Dafür können insbesondere bisherige
PKW-Parkplatzflächen umgewidmet und aufgewertet werden. Im Weiteren benötigen
die neuen Verkehrsmittel Platz im alten Straßenverkehr: beidseitig befahrbare
Radwege, reine Fahrradschnellwege, Busspuren, Straßenbahngleise. Zur Umsetzung
dieser Konzepte muss allerdings Platz geschaffen werden – die Dominanz des PKW
muss dafür aber weichen.
Gerade um größere Bauprojekte wie eine neue Straßenbahn, S-Bahn oder U-Bahn-
Linie in der Stadt umzusetzen, gehen schnell Jahrzehnte ins Land. Hier müssen
vereinfachte Zulassungs- und Planungsverfahren erlaubt werden, um eine schnelle
Verkehrswende überhaupt erst möglich zu machen.
Auch die eingesetzten Fahrzeugtypen müssen sich im multimodalen Konzept
verändern: Durch die zunehmende Präsenz von Fahrrädern & elektrischen
Kleinstfahrzeugen benötigen diese selbstverständlich ausreichende
Transportflächen im öffentlichen Nahverkehr.
Große Straßen für den Durchgangsverkehr dürfen nicht mehr durch die Stadt führen
– entgegen dem häufigen Irrtum profitieren Städte durch durchfahrenden
Autoverkehr weder im Bereich des Tourismus noch im Bereich des Einzelhandels.
Stattdessen bleiben Abgase, Lärm und eine sinkende Lebensqualität.
Zurzeit ist das Auto mit durchschnittlich 27 km/h m Stadtverkehr noch das
schnellste Verkehrsmittel und ÖPNV & Radverkehr sind mit im Schnitt 18-20 km/h
spürbar langsamer bzw. weniger attraktiv. Autofahrten im Wohngebiet machen in
der Regel allerdings nur einen Bruchteil der Reisestrecke aus. Eine konsequente
Reduzierung der Maximalgeschwindigkeit auf 20 km/h in Wohngebieten verlängert
die Reisezeit also nur unwesentlich, gleichzeitig steigt die Sicherheit und der
Kraftstoffverbrauch sinkt. Außerdem wird so verhindert, dass moderne
Navigationssysteme den Verkehr auf vermeintlich schnellere Routen durch
Wohngebiete führen.
Je weniger Parkplätze in der Innenstadt vorhanden sind, umso mehr Menschen
werden auf andere Verkehrsmittel umsteigen, um in das Stadtinnere zu gelangen.
Mit einer effizienten Parkraumbewirtschaftung, Umwidmung von Stellflächen für
Sharing-Konzepte, dem gezielten Rückbau von Stellplätzen und geschickten
Anreizmechanismen für Bus und Bahn kann der Autoverkehr effektiv verringert
werden und gleichzeitig eine Einnahmequelle für die Stadt geschaffen werden. In
der Übergangszeit – bis zur Abkehr vom personengesteuerten motorisierten
Individualverkehr – sind vom ÖPNV gut erschlossene Park-&-Ride-Parkplätz zu
erhalten bzw. zu schaffen. Dies führt dazu, dass wir auch denjenigen, die
weiterhin auf das Auto angewiesen sind, bspw. Menschen aus dem ländlichen Raum,
weiterhin Mobilität garantieren. Eine lebenswerte Stadt der Zukunft hält den
motorisierten Individualverkehr soweit wie möglich aus der Stadt heraus, bei
sinnvollen Ausnahmen für Liefer- & Anwohner*innenverkehr sowie
Einsatzfahrzeugen.
… und andererseits fehlende Fortbewegungsmöglichkeiten auf dem Land?
Während die Großstädte mit dem Verkehrskollaps kämpfen, ist im ländlichen Raum
das Auto häufig das einzige adäquate Fortbewegungsmittel. Wenn überhaupt ein Bus
durchs Dorf fährt, ist dies entweder der Schulbus oder die einzige Verbindung
des Tages. Besonders tragisch für jene, die kein Auto oder Führerschein haben.
Dies ist die Folge einer von der Autoindustrie getriebenen Politik der letzten
Jahrzehnte: Bahnhöfe und ganze Schienenstreckenabschnitte wurden zurückgebaut
und müssen jetzt mühsam wiederaufgebaut werden.
Nichtsdestotrotz greifen hier zunächst ähnliche Maßnahmen wie in der Stadt:
- Ausbau der Radwege entlang der Landstraßen,
- Reduzierung der Höchstgeschwindigkeiten außerorts auf 70km/h,
- Umsetzung eines Tempolimits auf Autobahnen bei 130 km/h,
- die Verdichtung des Nahverkehr-Taktes mit Kleinbussen oder Linientaxis,
- die garantierte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr,
- multimodale Mobilitätskonzepte,
- Förderung von Fahrgemeinschaften,
- Schaffung dezentraler Versorgungsstruktur, bspw. mobile Bürger*innenämter
- Glasfaserausbau in allen Regionen ohne Bürger*innenbefragung & ohne
finanzielle Beteiligung der Anwohner*innen, um moderne Arbeitskonzepte wie
Home-Office überhaupt zu ermöglichen
Im Gegensatz zur Großstadt wird der Individualverkehr auch im ländlichen Raum
weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Hier besteht die Aufgabe darin,
entsprechende Infrastruktur bereitzustellen. Häufig müssen nur wenige Kilometer
bzw. die „letzte Meile“ bis zur nächsten regelmäßig bedienten Haltestelle
überwunden werden. Gerade außerhalb der Städte müssen Ladeinfrastrukturen für E-
Mobilität geschaffen werden und am Rande der Ballungsräume entsprechende Park-&-
Ride-Möglichkeiten ausgebaut werden.
Wer zahlt?
Klima- und Umweltschutz im Verkehrsbereich können nur gelingen, wenn sie als
gemein-schaftliches Ziel mit sozialer Komponente erdacht werden: Die Abweichung
von einer Verur-sacher*innen-gerechten Finanzierung muss dann vertretbar sein,
wenn es um gesellschaftliche Teilhabe für alle geht – unabhängig von
körperlichen, finanziellen oder sonstigen Charakteristika. Deswegen unterstützen
wir Modelle wie z.B. ein Sozialticket für Menschen mit geringem Einkommen oder
ein Bildungsticket für alle Schülerinnen und Schüler. Damit wird
gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen möglich. Während das
Verursacher*innenprinzip bei der künftigen Emissionsvermeidung zentrales Element
sein soll, muss der öffentliche Nahverkehr sowohl auf die
Nutzer*innenfinanzierung, als auch staatliche Unterstützung auf-bauen. Auch die
Finanzierung durch Nutznießer*innen, die z.B. bei Bauprojekten von der guten
ÖPNV-Erschließung profitieren, wollen wir ausbauen.
Ein guter ÖPNV, der systematisch ausgebaut wird, braucht eine breite und
verlässliche Finanzierungsbasis. Einer übertriebenen Preisentwicklung, wie sie
in den letzten Jahren man-cherorts zu beobachten war, erteilen wir aber eine
klare Absage. Zugleich wollen wir komplexe Ticketsysteme im Zuge der
Digitalisierung deutlich verschlanken, um Zugangsbarrieren zu senken und
Kostensenkungen im laufenden Geschäft von Anbieter*innen und Betreiber*innen zu
ermöglichen.
Im Fernverkehr sollten wir uns vom Tarifdschungel aus Sparpreis, Super Sparpreis
und unterschiedlichen BahnCards verabschieden. Dies schafft ein intransparentes
Preismodell, welches die empfangene Leistung kaum widerspiegelt und gerade
Wenignutzer*innen abschreckt. Gleichzeitig werden beim Flexpreis
schwindelerregende Höhen erreicht, die selbst für Menschen mit höherem Einkommen
kaum bezahlbar sind.
Kinder sind eine gesellschaftliche Aufgabe und sollten auch im Punkt der
Mobilität nicht zur Schuldenfalle für die Eltern werden: Schulpflichtige Kinder
müssen generell kostenlos im Fernverkehr fahren können. Im Weiteren sollte das
Preismodell im Fernverkehr bis zu einem Maximalpreis stärker an die Entfernung
gekoppelt werden. Davon unbeschadet bleibt die kurzfristige Lenkung von
Fahrgastströmen durch steigende Preise bei steigender Auslastung. Dies darf
jedoch nicht zum generellen Ausschluss von Geringverdienenden führen.
Mittelfristig müssen überausgelastete Verbindungen durch weitere Züge bzw.
Streckenaus- & -neubau kompensiert werden. Eine Unterscheidung in 1. & 2. Klasse
ist in Zukunft gerade im Regionalverkehr nicht mehr notwendig.
Auch die Bundesregierung, Mitarbeiter*innen des öffentlichen Diensts oder
Abgeordnete müssen die Klimaschädlichkeit ihrer Dienstreisen einschränken.
Innerdeutsche Reisen sollten grundsätzlich mit dem Zug erfolgen und nur im
Ausnahmefall mit anderen Verkehrsmitteln.
Neue & innovative Verkehrsmittel
Elektrofahrrad, E-Scooter, Pedelec, Segway, Hoverboard, … – In den letzten
Jahren sind immer neue Innovationen der Fortbewegung auf den Markt gekommen.
Gemeinsam ist ihnen der problematische Umgang durch den deutschen Gesetzgeber.
Waren Elektroroller zu Beginn des Jahres noch gar nicht legal einsetzbar, wurden
sie im Juni vergleichsweise stark reglementiert für den deutschen Verkehrsraum
zugelassen. Europaweit gibt es unterschiedliche Regelungen – Probleme &
Verwirrung für Hersteller*innen und Verbraucher*innen werden so nicht
ausbleiben.
So sehr eine Befreiung von der Führerscheinpflicht für die meisten dieser
Elektrokleinstfahrzeuge zu begrüßen ist, umso mehr scheiden sich die Geister an
der Begrenzung der Maximalgeschwindigkeit. Die maximal zulässige
Höchstgeschwindigkeit wird voraussichtlich 20 km/h betragen, im Nachbarland
Österreich werden es 25 km/h, in den USA sogar bis zu 32 km/h. Erscheint eine
Abstufung nach Alter der*s Fahrer*in und unterschiedlichen Nutzungsorten –
Fußgänger*innenzone, Fußweg, Radweg, oder Straße – sinnvoll, ist eine pauschale
Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 20 km/h sehr konservativ. Um die
multimodalen Verkehrskonzepte sinnvoll unterstützen zu können, wäre es besser
sich an den Grenzwerten aus der USA oder zumindest unseren europäischen Nachbarn
zu orientieren. Gegebenenfalls kann für das Führen von Kleinstfahrzeugen mit
höheren Geschwindigkeiten zusätzlich ein Mofa-Führerschein notwendig sein.
Die ersten Erfahrungen mit kommerziellen Anbietern im Elektrokleinstfahrzeuge-
Bereich sind leider nicht besonders positiv. Getrieben vom schnellen Geld, haben
diese weder auf Nachhaltigkeit noch ausgereifte Konzepte gesetzt: Abstellen auf
ungeeigneten Flächen, sehr kurze Akkulaufzeiten, Transport mit
Verbrennungsmotoren zur Ladestation, hohe Preise, geringe Verkehrssicherheit,
kurze Lebensdauer, Ausbreitung in Großstädten, … Nichtsdestotrotz können
Elektrokleinstfahrzeuge in Verbindung mit Sharing-Konzepte insbesondere für den
innerstädtischen Verkehr und zur Überwindung der letzten Meile oder als
eigenständiges Verkehrsmittel einen wichtiger Grundpfeiler bilden.
In kommunaler Trägerschaft können diese Konzepte auch in kleineren Städten
umgesetzt werden. Verbunden mit langlebigeren Geräten, Ladestationen für private
und geteilte Fahrzeuge und umgewidmeten Verkehrsraum ist die Technologie nicht
vorschnell abzuschreiben.
Das gute alte Fahrrad
Um den Radverkehr ansprechender zu gestalten, müssen verschiedene Maßnahmen
ergriffen werden. Die Stadt und ihre Straßen müssen an das Rad angepasst werden,
damit Radfahrer*innen sicher und gleichberechtigt am Verkehr teilnehmen können.
In die beide Richtungen freigegebene Einbahnstraßen und Überholverbotsschilder
zum Schutz von Radfahrer*innen an engen Stellen sind erste richtige Schritte.
Die Kommunen müssen sich hier an neuen, wenn auch kleinen, Konzepten
orientieren, wie bspw. grüne Wellen bei Ampelschaltungen angepasst auf
Fahrradgeschwindigkeiten und grüne Pfeile für Radfahrende. Insgesamt sind die
Kommunen in der Pflicht einen zusammenhängenden und engmaschigen Radverkehrsplan
zu erstellen.
Ein ÖPNV ist nur so gut, wie seine Einbindung von Radfahrenden. Hier gilt es
nicht nur Pendler*innen-freundliche Radstellplätze an Bahnstationen zu schaffen,
sondern auch eine einfache und komfortable Mitnahme zu gewährleisten, bspw.
durch Multifunktionsabteile für Fahrräder, Rollstühle und Kinderwägen.
Als wichtiges Transportmittel der Zukunft, mit zunehmendem Anteil an Paket-und
Logistikdiensten, sind Lastenräder eine sinnvolle Alternative. Mit zusätzlicher
elektrischer Unterstützung können auch erhebliche Mengen an Gütern
umweltfreundlich und platzsparend transportiert werden. Deswegen müssen nicht
nur Radwege in ihrer Breite angepasst werden, sondern eine Anschaffung sollte
durch entsprechende Förderprogramme vereinfacht werden.
Digital first?
Eine der größten Chancen in der Mobilität der Zukunft bildet die
Digitalisierung. Multimodale Konzepte werden noch flexibler und können auf
kurzzeitige Einflüsse wie Verfügbarkeitsmangel oder Streckensperrungen
reagieren. Mit automatisierten Routenberechnungen kann zu jedem Zeitpunkt –
unter Beachtung städtebaulicher Planungen – stets die ökologischste und
schnellste Route gefunden werden. Mobilitätsträger müssen dazu verpflichtet
werden, von ihnen erhobene Routing-Daten anbieterübergreifend zur Verfügung zu
stellen. Dies muss unter Zugrundelegung unter den strengen Datenschutzprinzipien
der Datenvermeidung & Datensparsamkeit geschehen – insbesondere die massenhafte
Erstellung öffentlich zugänglicher und personalisierter Aufenthaltsprofile muss
verhindert werden, indem personenbezogene Daten nicht geteilt und bestenfalls
gar nicht erhoben werden.
Einen weiteren großartigen Aspekt der digitalen Mobilität bildet das autonome
Fahren, sei es beim geteilten Auto, beim Bus oder beim Fernzug. Die Chancen sind
riesig bzgl. Qualität, Geschwindigkeit, Sicherheit, Kosten & Verfügbarkeit. Von
politischer Seite muss zügig ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, der das
autonome Fahren europaweit einheitlich regelt und ermöglicht. Dabei gilt es
technische Möglichkeiten, Haftungsfragen und Gefahren auszuloten:
- Wenn es auch häufig herangeführt wird, ist eine Aufhebung der
Netzneutralität für den sicheren autonomen Verkehr in keiner Weise
notwendig und bringt auch keine nennenswerten Vorteile.
- Obwohl es bei komplexen Systemen schwierig ist, ist völlig klar, dass
Hersteller*innen für ihre Produkte garantieren und haften müssen. Das
heißt bei Unfällen müssen versagende Komponenten gefunden werden,
zugehörige Hersteller*innen zur Verantwortung gezogen werden und die
identifizierten Komponenten optimiert werden. In der Regel wird es dabei
um fahrlässige Handlungen gehen.
- Die Welt besteht nicht nur aus Trolley-Problemen. In der realen Praxis
kommen sie praktisch nicht vor. Die Vorteile bei der sonstigen
Unfallvermeidung überwiegen die Nichtentscheidbarkeit dieser Probleme
derart, dass sie den Vormarsch der autonomen Mobilität nicht bremsen
sollten.
- An autonomen Fahrzeugen hängen Leben. Es handelt sich also um eine
besonders kritische digitale Infrastruktur. Es ist somit gesetzlich
sicherzustellen, dass gewisse IT-Sicherheitsmindeststandards eingehalten
werden: von eigenen Sensoren gemessene Daten haben eine höhere Relevanz
als externe empfangene Daten, Multimedia-Systeme sind von
fahrzeugrelevanten Systemen strikt zu trennen, Updates dürfen nur in
„sicherer“ Umgebung nach umfangreicher Testung eingespielt werden.
- Arbeitskräfte in dadurch obsolet werdenden Arbeitsverhältnissen müssen
angemessene Folgebeschäftigungen erhalten.
Trotz der großen Vorteile der digitalen Mobilität beinhaltet gerade die kaum
vermeidbare Erfassung von Geo- und Bewegungsdaten im Rahmen der Digitalisierung
der Mobilität große Gefahren. Faktisch wird klar, wer – wann – wo – mit wem –
wie lang unterwegs war. Trotz der gegebenen Schwierigkeiten müssen Konzepte
entwickelt werden, die weiterhin die anonyme, freie und unabhängige Fortbewegung
durch den öffentlichen Raum ermöglichen – nur die Codierung mit einem Pseudonym
bringt hier keine Vorteile. Unterstützend wirken dabei Abo- oder Flatrate-
Modelle, da so keine zeitscharfe Abrechnung von Mobilitätsleistungen notwendig
wird. Wichtig ist nur, wo sich die jeweiligen Fahrzeuge befinden und ob sie
gerade verliehen sind. Nicht relevant ist, wer sie benutzt hat – es erfolgt also
keine Personenprüfungen, sondern eine Berechtigungsprüfung.
Fazit
Unsere Mobilität wächst und sie steht vor Herausforderungen – allerdings sind
diese lösbar! Die Zukunft der klimaneutralen Mobilität baut auf gemeinsam
genutzten Verkehrsmitteln und gesellschaftlicher Teilhabe auf – gemeinsam
klassisch in Bus und Bahn oder modern durch Sharing-Konzepte.
Folgende Ziele & Maßnahmen müssen zwingend Teil eines Konzepts für die Mobilität
der Zukunft sein:
- Sehr viel emissionsärmere Mobilität,
- Verursacher*innengerechte Abgabe für Schadstoff Emittenten,
- Verhinderungen zusätzlicher Versiegelung durch Verkehr, Freigabe von
Versiegelung durch den Rückbau von Straßen bzw. effizientere Nutzung von
versiegelten Flächen von gemeinschaftlich genutzten Verkehrsträgern,
insbesondere durch Schienenverkehr,
- Förderung & Ausbau europaweiter Mobilität, insbesondere im Schienenverkehr
- Straßennutzungsgebühren für Fernbusse,
- Rückbau von direkten und indirekten klimaschädlichen Subventionen,
- Finanzielle Ausstattung und Förderung von multimodalen Verkehrskonzepten,
- die Verringerung des Verkehrsraums für den motorisierten Individualverkehr
zu Gunsten von anderen Verkehrsträgern und Sharing-Konzepten,
- Anbindung des ländlichen Raums, in Verbindung mit großflächigen &
grenzüberschreitenden Verkehrsverbünden
- Sozialer Ausgleich und transparente Preissysteme für Personenverkehr,
- Förderung & Zulassung von innovativen Verkehrsträgern, wie zurzeit
Elektrokleinstfahrzeuge,
- Schaffung eines gesellschaftlichen, technologischen & rechtlichen Rahmens
für autonome Fahrzeuge und
- Sicherung der anonymen, freien und unabhängigen Fortbewegung in der
digitalisierten Welt.
- Wir werden im gesamten öffentlichen Personen-Nahverkehr und Schienen-
Personen-Nahverkehr Barrierefreiheit umsetzen.