Veranstaltung: | Landesparteitag der SPD Sachsen 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 8.2. Bildung - Hochschule - Kultur |
Status: | Beschluss |
Abstimmungsergebnis: | Mehrheitlich angenommen. |
Beschluss durch: | Landesparteitag |
Basierend auf: | B07NEU: New Skool statt Old Skool – Digitalisierung an Schulen |
New Skool statt Old Skool – Digitalisierung an Schulen
Votum der Antragskommission
Debatte
Beschlusstext
Der Landesparteitag der SPD Sachsen möge beschließen und an die SPD Fraktion im
sächsichen Landtag weiterleiten:
Die Schulen in Sachsen sind noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen. Dieser
Mangel betrifft nicht nur die Lehrweise und Unterrichtsmethoden, sondern auch
den Inhalt der Lehrpläne.
Corona zeigt uns, dass enorme Lücken an technischen und pädagogischem Know-How
bestehen. Unsere Schüler:innen werden in ihrem zukünftigen Arbeitsleben, aber
auch im Privaten unweigerlich mit der voranschreitenden Digitalisierung der
Gesellschaft konfrontiert. Die Schule bereitet darauf jedoch nicht vor – daran
ändern auch interaktive Tafeln und WLAN an Schulen allein nichts.
Digitale Lernplattformen
Lehrkräfte müssen lernen, wie sie Schüler:innen digital mit Aufgaben,
Lernmaterial etc. erreichen. Dazu muss es eine landesweite digitale
Lernplattform geben, die jede Lehrkraft bedienen kann. Das bedeutet, dass sowohl
die Zugänglichkeit als auch die einfache Bedienbarkeit der Plattformen
garantiert wird, sowie eine hinreichende Qualifizierung der Lehrkräfte im
sicheren Umgang mit digitaler Lehre bspw. durch ein entsprechendes
Weiterbildungsangebot sichergestellt ist.
Diese Plattform muss eine 100%ig staatlich finanzierte Open Source Software
sein, denn nur so kann im Austausch mit anderen Bundesländern eine optimale
Plattform geschaffen werden, bei der Fehler möglichst einfach behoben werden
können. Dies ist essentiell, wenn während kritischer Phasen wie Prüfungszeiten
plötzlich Bugs auftreten und schnelle Lösungen gefunden werden müssen. Außerdem
ermöglicht eine Open Source Lösung, dass Funktionen mit anderen Software-
Lösungen, die beispielsweise im Hochschulbereich eingesetzt werden, einfach
übernommen und ausgebaut werden.
Eine solche Lernplattform muss über die bisherigen Funktionen von LernSax
hinausgehen. Nicht nur muss es eine reibungslos funktionierende mobile Version
dazu geben – die Plattform sollte mehr sein als ein Cloudspeicher, über die
Aufgaben hochgeladen und an alle Schüler:innen einer Klasse oder eines Kurses
verteilt werden können, sondern ermöglichen, dass Aufgaben auf einfachem Wege an
Lehrkräfte eingereicht werden können. Eine Möglichkeit zur Bereitstellung von
On-Demand Videos muss ebenso zentraler Bestandteil sein wie Live-Stream
Angebote. Außerdem könnten digitale Abstimmungstools, Foren und ähnliche
Interaktionsmöglichkeiten anonyme Möglichkeiten schaffen, Feedback zum
Unterricht zu geben. Dies kann auch hilfreich sein, um Fragen der Schüler:innen
zu klären, da die Anonymität unsicheren Lernenden hilft, ihre Probleme
mitzuteilen.
Außerdem können digitale Tests genutzt werden, um automatisiert zu überprüfen,
welche Schüler:innen in welchen Themenbereichen Wissenslücken aufweisen und
welche Themen vielleicht leichter gefallen sind. Dies ermöglicht einen
individuellen Unterricht ohne eine mühsame Auswertung seitens der Lehrkräfte:
Ist in der Lernplattform ein umfangreicher Aufgabenpool hinterlegt, kann das
Programm auf der Grundlage bisheriger Lernfortschritte und bestehender Schwächen
Schüler:innen eigenständig individualisierte Aufgaben vorschlagen und die
Lehrer:innen damit bei der Umsetzung eines individualisierten Unterrichts
entlasten. Klar ist: Selbst eine intelligente Lernplattform wird nie mehr sein
als eine sinnvolle Ergänzung der Arbeit von Lehrer:innen. Die persönliche
Komponente ihrer Arbeit wird sie auch in einem digitalisierten Unterricht
unabdingbar machen. Sie können dadurch jedoch entlastet werden und erhalten den
nötigen Freiraum, sich auch auf menschlicher Ebene intensiv mit ihren
Schüler:innen auseinanderzusetzen.
Kurzfristig wird die SPD-Fraktion dazu aufgefordert, sich für die Verbesserung
der derzeit bestehenden Plattform LernSax einzusetzen. Im Zuge dessen ist auch
SaxSVS (Sächsische Schulverwaltungssoftware) weiter zu entwickeln und an die
Bedarfe anzupassen. Hierbei sollen alle in LernSax schon vorhandenen Elemente,
d.h. E-Mail- und Messengerfunktion, Medien- und Cloudserver, Gruppen- und
Klassen/Kurs-Bereiche, Videokonferenzfunktion sowie das gemeinsame Arbeiten an
Dokumenten in der Cloud, überarbeitet werden. Die Website muss barrierefrei
ausgebaut werden. Zudem ist die Verbesserung der App (für Smartphone und Tablet)
nötig, welcher es an Übersichtlichkeit und Nutzungsmöglichkeiten fehlt. Hierbei
soll die App auch möglichst alle Features beinhalten, welche in der Web-Version
beinhaltet sind. Auch müssen Eigen- und Neuentwicklungen ab sofort quelloffene
erfolgen. Um die Plattform anwender:innenfreundlicher zu gestalten, soll das
Sächsische Staatsministerium für Kultus eine weitgehende und größtenteils
verpflichtende Umfrage für Lehrkräfte und Schüler:innen erstellen, um
Verbesserungsmöglichkeiten in der Benutzer:innenoberfläche und eventuelle nicht
genutzte Features der Plattform, welche entfernt werden können, zu finden. Bei
der gesamten Weiterentwicklung von LernSax muss auf die Wahrung des
Datenschutzes vor allem für minderjährige Schüler:innen aber auch für Lehrkräfte
geachtet werden. Selbsterklärend sollte auch eine bessere Einführung in die
Nutzung von LernSax für Lehrkräfte und Schüler:innen sowie die breitflächige
Nutzung der Plattform ab der 5. Klasse gewährleistet werden.
Digitale Bildung für Lehrkräfte
Mindestens genauso wichtig wie die technische Gestaltung ist aber der Umgang der
Lehrkräfte mit der Plattform. Es muss ausreichend Weiterbildungsmöglichkeiten
geben, welche verpflichtend wahrgenommen werden müssen. Ebenso muss es ein
zentraler Bestandteil des Lehramtsstudiums sein, zu lernen, wie diese Plattform
bedient wird und wie sie gewinnbringend in den Unterricht eingebunden werden
kann.
Die Kenntnis über die reine Funktionsweise einer Lernplattform hilft nicht, wenn
die Lehrer:innen nicht wissen, wie digitale Medien genutzt werden können, um den
Unterricht zu bereichern. In der heutigen Zeit wandeln sich die technologischen
Möglichkeiten derart schnell, dass fortführende Weiterbildungen der Lehrkräfte
unerlässlich ist. Lehrer:innen dürfen mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen
werden, wenn die Lehrqualität unabhängig von der Schulart, sozialer Herkunft und
dem Wohnort auf hohem Niveau gehalten werden soll. Lehrkräfte müssen als Teil
ihrer pädagogischen Ausbildung lernen, welche digitalen Methoden hilfreich sind
und was in analoger Form mehr bringt – und ein einfaches Hochladen von digitalen
Tafelbildern und eingescannte Lehrbuchtexte zählt dabei noch nicht als digitaler
Unterricht..
In der Lehramtsausbildung muss ein fundiertes Technikverständnis vermittelt
werden, um die Digitalisierung im Unterricht vorzuleben und technische Probleme
im Unterricht vorzubeugen.
Fest steht: Lehrer:innen können nicht zu digitalen Unterrichtsmethoden gezwungen
werden. Vielmehr müssen ihnen deren Vorteile aufgezeigt werden. Nur so kann ein
Unterricht gelingen, in dem analoge und digitale Unterrichtsformen eine
Gesamtheit bilden.
Digitale Lehrpläne ermöglichen nebenbei auch, das Gewicht der Schulranzen zu
verringern, was der Gesundheit der Schüler:innen zugute kommt. Wenn das Gewicht
der Lehrbücher, insbesondere für Grundschulklassen, jedoch durch schwere
Endgeräte ausgetauscht wird, ist dieser Effekt zunichte gemacht worden.
Software ohne entsprechende Hardware ist sinnlos
Um Software zu nutzen, ist natürlich auch das dazugehörige Endgerät notwendig.
Tablets für alle Schüler:innen sind jedoch der falsche Weg. Sinnvoller ist eine
„bring your own device“-Strategie bei klaren Mindeststandards. Es ist für uns
Sozialdemokrat:innen dabei selbstverständlich, dass über Förderung ein Gerät für
jedes Kind zu ermöglichen ist. Dies beinhaltet eine unbürokratische
Digitalisierungsgarantie für Familien, denn insbesondere geringverdienende
Familien können sich Laptops für alle Kinder unter Umständen nicht leisten.
Außerdem muss sich der Freistaat darum kümmern, dass Programme, die im
Unterricht von Schüler:innen genutzt werden, auch auf deren Computern genutzt
werden können. Um keine teuren Lizenzen kaufen zu müssen, ist jedoch auch hier
Open Source Software oder mindestens frei erhältliche Software zu bevorzugen.
Doch auch die IT-Infrastruktur an Schulen muss besser ausgebaut werden. An
vielen Einrichtungen kümmern sich die Lehrkräfte um die IT-Ausrüstung. Dies
fällt jedoch nicht in deren Aufgabenbereich, und gute Netzwerke benötigen
professionelle Betreuung. Hier muss der Freistaat Sachsen ausreichend
finanzielle Mittel für die kommunale Ebene bereitstellen, damit diese
Spezialist:in engagieren können, die die IT-Infrastrukrut betreuen. Bei
kleineren Einrichtungen sind mobile Spezialist:innen einsetzbar, die mehrere
(kleinere und örtlich benachbarte) Bildungseinrichtungen betreuen, so lange
dadurch die Betreuung der einzelnen Einrichtungen nicht leidet.
Basis der notwendigen Infrastruktur ist ein Anschluss jeder Schule ans
Glasfasernetz. Dazu gehören neben WLAN, das jedes Klassenzimmer und jeden
Freizeitraum erreicht auch Datenbanksysteme und die entsprechenden
Sicherheitssysteme, wobei insbesondere auf Datenschutz geachtet werden muss.
Wichtige Soft-Skills wandeln sich
Schüler:innen von Heute werden ihr ganzes Leben mit digitalen Werkzeug arbeiten
müssen. Wichtige Fähigkeiten dazu müssen Teil des Unterrichts werden. Das fängt
an mit schnellem Schreiben am Computer und dem Umgang mit wichtigen Programmen –
umfasst aber auch Medienkompetenz und das Verständnis wissenschaftlicher Arbeit,
um in Zeiten von Fake News abschätzen zu können, welche Informationen
vertrauenswürdig und welche mit Vorsicht zu genießen sind. Das Internet hat auch
weitere Tücken, mit denen umgegangen werden muss. Dazu zählen ein Verständnis
davon, was Anonymität im Internet bedeutet und die Kompetenz im Umgang mit dem
damit verbundenen Datenschutz und der Sicherheit persönlicher Informationen. Es
muss klar werden, dass im Internet die gleichen Regeln gelten wie im echten
Leben.
Digitale Lernmedien bieten aber auch eine Möglichkeiten, etwas zu erlernen, was
im heutigen Schulsystem viel zu kurz kommt: Selbstständiges Arbeiten und Lernen.
Dies ist für den weiteren Lebensweg, ob im Beruf oder im Studium, eine
unerlässliche Grundlage.
Neben diesen Soft-Skills werden auch andere Fähigkeiten immer wichtiger.
Grundlagen im Programmieren sind inzwischen wichtiger Teil vieler Berufe.
Insbesondere ist das Programmieren unterdessen auch Bestandteil aller
Studiengängen, die auch nur im entferntesten etwas mit Naturwissenschaften oder
wirtschaftlichen Disziplinen zu tun haben. Den Platz, den Informatik in der
Schule, insbesondere der Sekundarstufe 2 einnimmt, ist daran gemessen absurd
gering. Deshalb fordern wir mehr Informatikunterricht, der neben vielfältigen
Programmierfähigkeiten die besprochenen Soft-Skills lehrt. Soft-Skills wie
Medienkompetenz sollten fächerübergreifend gelehrt werden. Solche Inhalte
können, entsprechend aufbereitet, schon im Grundschulalter spielerisch gelehrt
werden, sodass eine Implementierung in den Grundschullehrplan empfehlenswert
ist.
Schüler:innen dürfen nicht überfordert werden
Die Möglichkeit, den Lernenden auch außerhalb des Unterrichts Lernstoff zu
vermitteln, darf nicht dazu führen, dass sich der ohnehin schon vollgepackte
Stundenplan noch auf die Freizeit ausbreitet. Lehrer:innen sollten daher diese
Möglichkeiten nicht ausschließlich als zusätzliches Angebot zu den
konventionellen Unterrichtsmethoden verstehen. Insbesondere Kinder, die
eventuell Probleme mit eigenständiger Arbeitsweise oder digitalen Geräten haben,
laufen Gefahr, erheblichen Mehraufwand zu haben. Hier zeigt sich, worin die
große Herausforderung des Themas besteht: Funktioniert ein Zahnrad des Getriebes
aus Lerninhalten, Software, Hardware und technischer Fähigkeiten nicht, droht
das ganze System zu kollabieren.