Veranstaltung: | Landesparteitag der SPD Sachsen 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 8.8. Demokratie - Europa - Welt |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | SPD-Landesparteitag |
Basierend auf: | D10: SPD–Zukunftsmission für den ländlichen Raum |
SPD–Zukunftsmission für den ländlichen Raum
Beschlusstext
Der Landesparteitag der SPD Sachsen möge beschließen und an die SPD-
Landtagsfraktion und den Bundesparteitag der SPD weiterleiten:
Wichtige Weichenstellungen sind in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts zu
treffen. Auf einer Parteivorstandsklausur in Berlin hat die SPD ihre
Zukunftsmissionen für ein soziales, digitales und klimaneutrales Deutschland
vorgestellt. Es ist notwendig nicht mehr in Ressorts und Verantwortlichkeiten zu
denken, sondern Fragen von allen Seiten zu beleuchten. Klimaneutral, sozial und
digital lässt sich Deutschland nur mit dem ländlichen Raum, seinen Kleinstädten
und Dörfern, und seinen Menschen gestalten. Deren Lebenswirklichkeit
unterscheidet sich von denen in urbanen Zentren. Nur mit gleichwertiger
Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse erreichen wir die Zustimmung für unsere
Politik, die notwendig ist, um tatsächlich gestalten zu können.
Wir fordern eine Zukunftsmission für den ländlichen Raum. Bei allen politischen
Entscheidungen sind Auswirkungen auf Landkreise und kreisangehörige Kommunen
unter 100.000 Einwohnern zu berücksichtigen. Wir wollen eine Gesellschaft, die
mutig in die Zukunft schaut, Menschen, die Chancen bekommen sich zu
verwirklichen und sich deshalb aktiv und motiviert für eine demokratische und
vielfältige Gesellschaft engagieren. Menschen, die von sozialdemokratischer
Politik profitieren, wissen, dass sich gesellschaftliches Engagement lohnt. Der
ländliche Raum muss wieder eine Basis sozialdemokratischer Politik werden.
Die Zukunftsmission für den ländlichen Raum umfasst Maßnahmen, die die Menschen
ihre eigene Wichtigkeit und ihren Wert in der Politik erkennen lässt, sie mit
der Politik versöhnt und das Vertrauen in demokratische Strukturen, ihre
Institutionen und Verantwortungsträger festigt.
Öffentliche Daseinsvorsorge als soziale Frage
Wir erreichen Menschen mit unserer Politik, wenn wir uns die sozialen Fragen
hinter ihren kommunizierten Problemen und dem Unmut stellen.
Das Gesundheitswesen wird in der Fläche ausgedünnt, Krankenhäuser verschwinden,
Verwaltungseinheiten werden aus Kostengründen vergrößert und verlieren den Bezug
zu den Menschen, ÖPNV und digitale Infrastruktur richten sich nach
wirtschaftlichen Aspekten und werden deshalb auf dem Land vernachlässigt. „Soft
Skills“, die ein Leben im ländlichen Raum gut machen, verschwinden oder werden
nicht erneuert. Menschen ziehen weg und Absatzmärkte verschwinden, woraufhin
noch weniger Investitionen getätigt werden.
Die öffentliche Daseinsvorsorge muss im ländlichen Raum staatliche und kommunale
Aufgabe sein. Kommunale Unternehmen wirtschaften gemeinschaftsorientierter und
sind am Wohl der Einwohner im Zweifel stärker interessiert als private
Unternehmen. Wir als SPD setzen uns dafür ein, dass der Bund und die Länder in
finanzielle und personelle Vorleistung gehen, wenn es um klimaneutrale, digitale
und soziale Politik geht. Erst ein Ausbau von Infrastrukturen kann für den Zuzug
und das Wohlempfinden sorgen, sich gesellschaftlich zu engagieren und auch
vermeintlich einfache nationale Wahrheiten zu hinterfragen. Wir erreichen eine
aktive Zivilgesellschaft im ländlichen Raum, wenn wir bei jeder Gelegenheit den
Menschen in den Fokus unseres Handelns stellen und ihm das auch vermitteln.
Rechtsstaatlichkeit
Wir als SPD haben die Aufgabe, das Vertrauen in unsere Institutionen und
Entscheidungsträger zu stärken. Dazu gehört Transparenz über positive und
negative Folgen von Gesetzen und getroffenen Entscheidungen im Bund und den
Ländern. Ehrlichkeit zahlt sich aus. Die Menschen wollen keine fehlerfreie
Politik, sondern eine, die nah bei ihnen und im ständigen Austausch ist.
Gesetzliche Neuregelungen oder Änderungen haben ihre Auswirkungen immer vor Ort.
Welche Auswirkungen – finanziell wie organisatorisch – auf die einzelnen
Kommunen zukommen, lässt sich selten aus dem Gesetzestext oder der dazugehörigen
Bundesdrucksache lesen. Gesetzliche Neuregelungen oder Änderungen bedürfen
deshalb eines Anhangs, in dem die Auswirkungen auf Kommunen dargestellt werden
und so Planungssicherheit geboten wird.
Förderung junger Strukturen
Wir sehen es dabei als elementar an, Strukturen zur Betreuung und
Freizeitgestaltung von Jugendlichen und Bildungsangebote zu erhalten, zu fördern
und auszubauen. Der derzeitige Mangel wird gezielt von rechten Gruppierungen
ausgenutzt, um eigene Jugend-Strukturen aufzubauen. Sie bieten dort Halt, wo in
Dörfern sonst Perspektivlosigkeit droht.
Durch Abwanderung junger Menschen in urbane Ballungsräume sinkt der Anteil
Jugendlicher an der Gesamtbevölkerung in ländlichen Regionen stetig. Das führt
dazu, dass die Jugend immer weniger bei Entscheidungen der lokalen Politik
berücksichtigt wird. Gemeinden werden unattraktiver für einen Zuzug von Familien
mit Kindern und Jugendlichen oder für die Gründung einer Familie.
Die Förderung von bereits vorhandenen Vereinen und Angeboten darf deshalb nicht
in Frage gestellt werden. Sonst wird der Weg für rechte Ideologien geebnet und
die bereits beschriebene Rechtsstaatlichkeit – das Vertrauen in unsere
Demokratie und unsere staatlichen Organisationen langfristig geschädigt.
Wir wollen, dass die Jugend lernt, sich differenziert mit gesellschaftlichen
Fragestellungen auseinanderzusetzen. Dafür brauchen wir eine ländliche
Jugendkultur, die finanziell abgesichert ist und innovative Konzepte umsetzt wie
mobile Jugendzentren.