Veranstaltung: | Landesparteitag der SPD Sachsen 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 8.6. Gleichstellung - Diversität - Integration |
Antragsteller*in: | ASF Sachsen |
Status: | Zurückgezogen (unsichtbar) |
Verfahrensvorschlag: | Debatte |
Eingereicht: | 12/03/2020, 21:49 |
G02: Sexarbeit ist weder Sex noch Arbeit – Für die Umsetzung des Nordischen Modells in der Prostitution
Votum der Antragskommission
Debatte
Antragstext
Der Landesparteitag der SPD Sachsen möge beschließen und an den Bundesparteitag
der SPD weiterleiten:
Prostitution ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein Ausdruck
struktureller Gewalt gegenüber Frauen und mit der Menschenwürde unvereinbar. Die
Liberalisierung ist gescheitert und Deutschland ist schon längst zum größten
Bordell Europas geworden. Die Antwort auf die aktuelle Situation kann aus
sozialdemokratischer Sicht nur eine sein: Freier bestrafen. Das nordische
Modell, wurde bereits in Norwegen, Schweden, Finnland, Nordirland, Israel,
Frankreich, Island und Kanada umgesetzt. Es setzt sich aus mehreren Säulen
zusammen:
1. Entkriminalisierung der Prostituierten: Prostituierte Frauen werden aufgrund
mangelnder Anmeldung oder wegen Sperrbezirken strafrechtlich verfolgt.
Prostituierte dürfen im Nordischen Modell weiterhin ihre Tätigkeit ausüben, ohne
die Angst vor Strafandrohung; das Machtverhältnis wird umgekehrt. Das Ziel ist
dennoch, eine Welt ohne Prostitution zu erreichen.
2. Kriminalisierung der Freier und Betreiber: Freier und Betreiber werden für
ihr Verhalten bestraft. Durch die gesellschaftliche Ächtung der Freier wird
Freier-Sein für den Großteil der Gesellschaft nicht tragbar. Die Nachfrage wird
nachgewiesen reduziert und es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte, dass
Prostitution in die Illegalität abrutscht. Im Gegenteil: im organisiert-
kriminellen Zuhälter- und Menschenhändler-Milieu hilft keine Liberalisierung
mehr.
3. Ausstiegshilfen und Beratungsangebote: Ausstiegshilfen, nicht nur in Form von
finanzieller Unterstützung, müssen flächendeckend gegeben sein.
4. Aufklärung und Prävention: Aufklärung und Prävention zum Thema sind
unerlässlich, um insbesondere jugendliche Mädchen und Frauen vor der sogenannten
‚Loverboy-Methode‘ zu schützen.
Hier wird auf die berechtigte Annnahme, dass Prostitution Gewalt gegen Frauen
ist, mit einem viersäuligen Modell reagiert. Das Nordische Modell widerspricht
der bisherigen Gesetzgebung und dem damit einhergehenden Gedanken, dass Männer
Anspruch auf Sex haben und dass Prostitution ein normaler Job ist. Wir treten
daher entschieden dafür ein, dass dieses Modell in Deutschland etabliert wird,
welches ein Sexkaufverbot zur Folge hat.
Begründung
Prostitution ist der Grundsatz inherent: Männer kaufen Frauenkörper und mieten
ihre "sexuelle Dienstleistung” und kaufen damit auch ihre Zustimmung zum Sex. In
der Prostitution wird die “Ware Frau” veräußert, die zwangsläufig nicht von der
Dienstleistung getrennt werden kann oder austauschbar ist. Kein anderer Job
verlangt so viel Entfremdung von Frauen, wie die Prostitution. Kein anderer Job
greift so sehr in das grundlegendste Menschenrecht - die Menschenwürde der
Frauen - ein.
Wollen wir, dass man Sex kaufen kann? Unterstützen wir es als Gesellschaft, dass
Frauen ihre Körper verkaufen müssen? Nehmen wir es in Kauf, dass Frauen gegen
eine entsprechende Bezahlung vergewaltigt werden? Diese Fragen sollten wir uns
stellen, denn nur weil Prostitution seit Ewigkeiten existiert, heißt es nicht,
dass sie gesellschaftlich akzeptabel ist. Denn Werte ändern sich und einige
Dinge, die früher als akzeptabel galten, werden heute als inakzeptabel
betrachtet und umgekehrt.
Und genau an dieser Stelle setzt das Nordische Modell an. Es macht deutlich,
dass es falsch ist, Menschen für Sex zu kaufen und sanktioniert wird, wenn
Freier dies tun. Schweden war 1999 das erste Land, welches das Sexkaufverbot
festgeschrieben hat. Daher wird dieses gesetzgeberische Modell oft auch
schwedisches oder nordisches Modell genannt. Aussteiger*innen aus der
Prostitution berichten von körperlichen, psychischen und seelischen
Langzeitfolgen, von Ausbeutungs- und Gewaltverhältnissen, die derzeit pseudo-
liberal als „normale Arbeit“ romantisiert würden.
Für uns steht fest, es gibt keine Sexarbeit: Bei der Prostitution handelt es
sich weder um Sex noch um Arbeit. Geschlechtsverkehr ist nur akzeptabel, wenn er
einvernehmlich und ohne Zwang stattfindet. Beide Zuschreibungen treffen auf die
Prostitution nicht zu. Keine Frau und kein Mann prostituiert sich freiwillig,
dahinter verbergen sich immer ökonomische und/oder soziale Zwänge. Dieser
Einschätzung folgt auch das Europäische Parlament. Im Jahr 2014 äußerte es sich
zugunsten des Nordischen Modells und empfahl den Mitgliedsstaaten, die
Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen unter Strafe zu stellen.