Veranstaltung: | Landesparteitag der SPD Sachsen 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 8.2. Bildung - Hochschule - Kultur |
Status: | Beschluss |
Abstimmungsergebnis: | Mehrheitlich angenommen. |
Beschluss durch: | Landesparteitag |
Basierend auf: | B09NEU: Gesetzesinitiative zur Regelung und Sicherstellung von Fernunterricht |
Distanzlernen an sächsischen Schulen
Votum der Antragskommission
Debatte
Beschlusstext
Die SARS-CoV-2-Pandemie stellt die Schulen im Freistaat Sachsen seit März 2020,
nunmehr schon im zweiten Schuljahr, vor große Herausforderungen. Wiederholt war
die Durchführung von Präsenzunterricht nicht möglich.
Oft unter hohem Einsatz der Schulleitungen, der Lehrkräfte und Eltern vor Ort
wurden nicht selten neue Wege des Lernens beschritten. Je nach Situation wurde
der eingeschränkte Regelbetrieb mit Wechselmodell oder festen Gruppen, Hybrid-
Unterricht oder Distanz- und Fernlernen gelebt. Dabei sind zum Teil auch schul-
und datenschutzrechtliche Aspekte in den Hintergrund getreten.
Aufgrund individueller Lösungen, kreativer Improvisationskunst und
unkonventionellen Mitteln konnte Unterricht in einer anderen Art und Umfang
abgesichert werden. Daher gilt unser Dank den Lehrerinnen und Lehrern,
Schulleitungen und weiteren pädagogischen Fachkräften, aber auch den Eltern, die
Betreuung, Erziehung, Homeschooling, Familien- und Berufsalltag unter einen Hut
gebracht haben, und den Schülerinnen und Schüler, die in dieser neuen Situation
lernten und oftmals bewiesen haben, neue Herausforderungen anzunehmen.
Festzustellen ist, dass die Heterogenität im sächsischen Schulwesen weiter
zugenommen hat und soziale Benachteiligungen in den vergangenen Monaten klarer
hervorgetreten sind und sich verschärft haben. Der individuelle Kontakt zwischen
Lernenden und Lehrenden konnte nicht immer im ausreichenden Maß hergestellt
werden. Die technischen Rahmenbedingungen sind weiterhin sehr unterschiedlich,
eine chancengleiche Bildung kaum zu gewährleisten.
Das Lernen und der Unterricht unter Pandemiebedingungen zeigen uns deutlich, wie
die Wirklichkeit alte Denkmuster und rechtliche Strukturen in Frage stellt.
Unser Schulsystem muss sich weiterentwickeln, um mit zukünftiger Entwicklungen
Schritt halten zu können und den Anspruch auf Chancengleichheit zu
verwirklichen. Gute Innovationen gilt es in den Regelbetrieb zu transferieren.
Daher fordern wir:
1. Ein Recht auf Bildung in der Sächsischen Verfassung und im Schulgesetz zu
verankern
„Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Bildung”, heißt es in Artikel 15 der
Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die
gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen
Fragen. Dieses Recht wollen wir im Zuge der geplanten Verfassungsänderung
verankern und den bisher bestehenden verfassungsrechtlichen Anspruch auf
Schulbildung zu einem Recht auf Bildung ausbauen.
Das Recht auf Bildung gilt es unter anderem im Schulgesetz zu definieren und
durch seine gesetzliche Ausgestaltung mit Leben zu füllen. Die
verfassungsrechtlich statuierte Verantwortung des Freistaats Sachsen für die
Schulorganisation fordert aber bereits jetzt, dass vor allem die schulrechtliche
Grundlage modernisiert wird und auch in Krisenzeit die notwendige Sicherheit
bietet. So kann die Aussetzung der Schulbesuchspflicht auf Grundlage des
Infektionsschutzgesetzes – wie sie zur Bewältigung der SARS-CoV-2-Pandemie
erforderlich war – keine dauerhafte Lösung sein; hier ist der Gesetzgeber
gefordert, die Rahmenbedingungen festzulegen.
2. Die Schulpflicht im Schulgesetz neu definieren
Die Schulpflicht kann in Zukunft nicht nur als „Schulbesuchspflicht“ verstanden,
sondern muss modernisiert werden. Während der SARS-CoV-2-Pandemie wurde
deutlich, dass man – sofern die technisch-organisatorischen Voraussetzungen
erfüllt sind – dezentral lernen und so eine individuelle Förderung möglich sein
kann.
Die Schulpflicht korrespondiert immer auch mit einem „Schulrecht“, das
unmittelbar aus dem Recht auf Bildung fließt. Damit verbunden ist etwa, dass
junge Menschen auch über das 18. Lebensjahr hinaus einen Anspruch auf schulische
bzw. nachholende Bildungsangebote haben.
3. Schulprogramme und Datenschutz an ein Lernen in der digitalen Welt anpassen
Bereits heute entwickelt jede Schule in Verwirklichung ihres Erziehungs- und
Bildungsauftrages ihr eigenes pädagogisches Konzept. Dabei soll es bleiben. Die
pädagogischen, didaktischen und schulorganisatorischen Grundsätze zur Erfüllung
des Erziehungs- und Bildungsauftrages im Rahmen der zur Verfügung stehenden
Ressourcen werden in einem Schulprogramm festgelegt.
Darüber hinaus können erweiterte pädagogische Konzepte als Grundlage des „E-
Learning“ im Allgemeinen und zum angeordneten oder aus pädagogischen Gründen
ermöglichten Distanzunterricht im Besonderen beschlossen werden. Als Teil der
Schulentwicklung sollte jedes Schulprogramm in absehbarer Zeit Aussagen zum
Lernen in der digitalen Welt treffen. Dabei sollen vor allem die Erfahrungen der
Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern aus der Zeit der
SARS-CoV-2-Pandemie berücksichtigt werden, um Regelungen zum Distanzunterricht
zu treffen.
Mit Blick auf den Datenschutz von Schülerinnen und Schülern, aber auch
Lehrkräften ist das Schulgesetz zu überarbeiten. Entsprechend klare gesetzliche
Regelungen sollen das Lernen in einer digitalen Welt unterstützen.
4. Die technische Modernisierung verstärken
Es ist festzustellen, dass mitunter große Unterschiede in der technischen
Infrastruktur und Ausstattung von Lehrenden und Lehrenden bestehen. Diese Lücken
wurden aufgrund der ergriffenen Maßnahmen der Bundes- und Landesregierung gewiss
kleiner. Diese Lösungen sind aber – vor allem was die Finanzierung anbelangt –
nicht auf Dauer gestellt und es bestehen nach wie vor Defizite im Bereich von
Internetanschlüssen und technischen Geräte, die für den modernen Schulunterricht
benötigt werden.
Unabdingbar scheint uns der zügige Ausbau der digitalen Infrastruktur im
Freistaat Sachsen. Schülerinnen und Schülern sollten mit einer erweiterten
Schulmittelfreiheit einen Anspruch auf eine digitale Mindestausstattung
erlangen.
5. Die Eigenverantwortung der Schulen weiter stärken
Ob in Präsenz gelehrt wird oder nicht, muss unter gewöhnlichen Bedingungen
Entscheidung der Schule, nicht der Schulaufsicht sein. So kann die individuelle
Förderung gestärkt werden und ein flexibles Arbeiten für bestimmte Gruppen sowie
Zeiten ermöglicht werden. Hier sehen wir die Schulkonferenz als entscheidenden
Akteur. Schulen entscheiden eigenverantwortlich und haben dafür Sorge zu tragen,
dass alle Schülerinnen und Schüler die gleichen Bildungschancen haben.
6. Schulentwicklung befördern, Lehrkräfte regelmäßig fortbilden
Die vom Kultusministerium veröffentlichten Hinweise zur Reduzierung der
Lehrplaninhalte greifen zu kurz. Wir brauchen eine grundständige Reform der
Lehrpläne. In Zukunft sollten Rahmenlehrpläne die Standards setzen und dabei
Kompetenzen des selbstorganisierten Lernens berücksichtigen. Wir brauchen in
allen Schulen und Jahrgangsstufen ein projektorientiertes Lernen mit
prozessorientierter und individueller Rückmeldung.
Die „Standards zur häuslichen Lernzeit“ wurden von Eltern sowie Schülerinnen und
Schülern begrüßt. Für zukünftige Schulentwicklungsprozesse bspw. der
Überarbeitung von Schulprogrammen sollte das Kultusministerium entsprechende
Mindestanforderungen kommunizieren und den Schulen mit Best Practice Beispielen
eine Orientierung geben.
Und da sich der Wandel der Gesellschaft egal ob in der Arbeitswelt oder in der
Schule stets vollzieht, sollten Lehrkräfte sich regelmäßig weiterbilden. Eine
Fortbildungspflicht für Lehrkräfte sollte im sächsischen Schulgesetz aufgenommen
werden.