B09: Gesetzesinitiative zur Regelung und Sicherstellung von Fernunterricht

Der Landesparteitag möge beschließen:

Die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag wird aufgefordert, eine
Gesetzesinitiative zur Regelung und Sicherstellung von Fernunterricht in den
Schulen des Freistaates in den Beratungsprozess einzubringen. Als Grundlage
sollte ihr der anliegende Gesetzentwurf dienen.

Begründung:

Die Situation an den Schulen ist mit zunehmender Dauer der Pandemie immer
schwieriger. Inzwischen ist seit Monaten kaum normaler Präsenzunterricht
möglich. Unterschiedliche und uneinheitliche Formen von Distanzunterricht
vermögen nur mit großem Einsatz aller Beteiligten, LehrerInnen, SchülerInnen und
Eltern, mit kreativer Improvisationskunst und unkonventionellen Mitteln und
Methoden, die zum Teil auch noch rechtlich oder unter dem Aspekt des
Datenschutzes zweifelhaft sind, die Vermittlung von Lerninhalten über die Zeit
zu bringen. Unterricht nach bestimmten Abläufen und mit Bezug zu einem Lehrplan
ist kaum möglich.

Gleichzeitig führt die unterschiedliche, teilweise schlechte Verbindung zwischen
LehrerInnen und SchülerInnen zu sozialen Defiziten und Abkopplungseffekten,
deren Folgen nicht absehbar sind. Die schiere Dauer dieses Zustandes macht
deutlich, dass es sich nicht um eine reine Ausnahmesituation in dem Sinne
handelt, dass er demnächst definitiv als beendet betrachtet werden könnte und
eine Wiederholung nicht zu befürchten wäre.

Die Chancen der Digitalisierung für Schule und Unterricht werden wohl erkannt,
es fehlt aber an Geräten, an Leitungen und Anschlüssen sowie an der nötigen
Kompetenz im Umgang mit der Technik. Das gilt auch für Zeiten, in denen der
Unterricht nicht wegen Pandemie und Lockdown gefährdet ist.

Eltern, SchülerInnen, LehrerInnen und ihre Vertretungen haben dieses Problem
erkannt und sich öffentlich zu Wort gemeldet. Eltern haben eine Petition in
Sachsen gestartet, die die Staatsregierung und den Landtag auffordert, zu
handeln.

Wir geben uns mit der bloßen Aussetzung der Schulpräsenzpflicht auf der
Grundlage des Infektionsschutzgesetzes nicht zufrieden. Wir wollen vielmehr,
dass die den sächsischen Schulen zur Verfügung stehenden organisatorischen und
technischen Möglichkeiten im Interesse einer qualitativ hochwertigen
Schulbildung bestmöglich genutzt werden. Das soll für alle sächsischen
Schülerinnen und Schüler gleichermaßen geschehen und muss daher effektiv von
oben gesteuert und organisiert werden. Diesem Zweck dient die von uns
angestrebte Novellierung des Sächsischen Schulgesetzes. Mit ihr werden die
rechtlichen Voraussetzungen für den Fernunterricht im Allgemeinen und den
digitalen Fernunterricht im Besonderen geschaffen. Sie verstärkt die
Pflichtenstellung der Schulen, schafft den von den Beteiligten benötigten
rechtssicheren Rahmen, fördert die Modernisierung des Unterrichts und bereitet
den Weg zur Digitalisierung des sächsischen Schulwesens.

Der Gesetzentwurf trägt insbesondere den folgenden Prinzipien Rechnung:

1. Pädagogisches Konzepte für den Fernunterricht:

Die Novelle soll bei den pädagogischen Konzepten („Bildungskonzepte“,
„Schulprogramme“) ansetzen, wie sie alle Schulen im Freistaat ohnehin zu
erarbeiten haben, und ihnen aufgeben, erweiternd spezielle Konzepte für den
Fernunterricht zu entwickeln. Dabei sollen die aktuellen Erfahrungen der
Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrerinnen und Lehrer und der Eltern
einfließen. Die Fernunterrichtskonzepte der Schulen sind so zu erstellen, dass
alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen beschult werden können.

2. Sicherung der Unterrichtsqualität und der Chancengleichheit:

Die pädagogischen Konzepte des Fernunterrichts sollten geprüft werden, um die
landesweite Einhaltung einer messbaren Mindestqualität und damit
Chancengleichheit zu sichern.

3. Aussetzen der schulischen Präsenzpflicht:

Die Notwendigkeit, die Schulen aktuell weitestgehend geschlossen zu halten, ist
infektionsschutzrechtlich gerechtfertigt. Ihre schulischen Folgen - die
verpflichtende Anordnung, die Organisation und die Ausgestaltung des
Fernunterrichts, entbehren hingegen bislang einer rechtlichen Grundlage. In
Zukunft darf die Präsenzpflicht sächsischer Schülerinnen und Schüler nur noch
durch einen förmlichen Akt ausgesetzt werden.

4. Organisatorischer Rahmen des Fernunterrichts:

Wird die schulische Präsenzpflicht förmlich ausgesetzt, müssen die Schulen
fortan den Distanzunterricht auf der Grundlage ihrer pädagogischen Konzepte
durchführen. Der Fernunterricht soll so dem gewöhnlichen Präsenzunterricht
möglichst nahe kommen und im Grunde nicht anders zu behandeln sein: Der
Fortbestand der schulbezogenen Rechte und Pflichten von Schülerinnen, Schülern,
Lehrkräften und Eltern wird schulrechtlich sichergestellt.

5. Technische Voraussetzungen:

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann die Verwendung digitaler Lehr- und Lernmittel
nicht durch Gesetz erzwungen werden. Unterschiede in der technischen
Infrastruktur, in der sächsischen Schullandschaft und der sehr unterschiedlichen
technischen Ausstattung von Lehrenden und Lehrenden erfordern eine
differenzierte Betrachtung. Ein Gesetz sollte den Weg für eine intensivere
Digitalisierung des Fernunterrichts ebnen. Wir glauben, dass sich dies auch auf
den Präsenzunterricht übertragen wird und die Modernisierung des sächsischen
Schulwesens auf diese Weise einen Schub erhält. So machen wir aus der Not auch
eine Tugend!

Soweit es den Schulen schon heute möglich ist, haben sie sich aber digitaler
Instrumente des Fernunterrichts zu bedienen. Der Freistaat soll in die Pflicht
genommen werden, die digitale Infrastruktur des Landes schnellstmöglich
auszubauen und dauerhaft sicherzustellen. Zumindest bedürftigen Schülerinnen und
Schülern ist im Rahmen der Schulmittelfreiheit eine digitale Mindestausstattung
zu stellen. Eine Fortbildungsverpflichtung für Lehrkräfte wird ebenfalls
gesetzlich verankert.

6. Ausgleich entstandener Lerndefizite

Nicht zuletzt ist es unabdingbar, dass die Pflicht zur Feststellung und zum
Ausgleich von Lern-Defiziten, die während der letzten und aktuellen Fernlernzeit
unweigerlich eingetreten sind, ausdrücklich im Gesetz steht.

Gesetzentwurf: siehe hier